In der Ostschweiz spricht man bereits von einem «Fall Mettler», dabei ist es unstrittig ein Fall für die Organisationslehre. Die USZ-Managerin wurde von der St. Galler Kantonsregierung als Präsidentin der kantonalen Spitäler vorgeschlagen, doch die Wahl musste noch vom Parlament abgesegnet werden. Prompt meldeten SVP, FDP und CVP reihum Widerstand an – worauf sich
Mettler entschloss, auf das Spitzenamt zu verzichten. Zurück auf Feld eins.
Seit letztem Jahr gilt, dass die Verwaltungsrats-Mitglieder der St. Galler Spitalverbunde vom Kantonsrat bestätigt werden müssen. In der Debatte warnten damals einige – darunter der zuständige Regierungsrat –, dass damit diese Ämter «verpolitisiert» würden. Wie recht diese Stimmen hatten, lässt sich jetzt, nach der ersten relevanten Ernennung seither, wohl kaum noch bestreiten. Auch die Reaktionen auf den Eklat zeigen dies.
«Graue bürgerliche Männer»
Die
SP sprach umgehend von «bürgerlicher Machtarroganz», und sie unterstellte, dass die Widerstände von CVP, FDP und SVP auch in Marianne Mettlers Geschlecht gründeten: «Jedes Argument ist den grauen bürgerlichen Männern recht, wenn es darum geht, eine Frauenkandidatur zu verhindern.»
Die Bürgerlichen wiederum raunten, dass im Gesundheitsdepartement – von SP-Regierungsrätin Heidi Hanselmann geleitet – ja noch allerhand im Argen liege.
Dazwischen die Profis, und die äusserten sich kritisch. «Einmal mehr beweist sich, dass die gläserne Decke für Frauen tief hängt», schreibt die
Ostschweizer Sektion des Pflegefachleute-Verbands SBK: «Dem Gesundheitswesen hätte es gut getan, eine dipl. Pflegefachperson mit einem Abschluss als lic. oec. an der HSG St.Gallen an der Spitze der St.Galler Spitallandschaft zu haben.» VPOD, Gewerkschaftsbund und SP-Frauen befanden wiederum, Marianne Mettler sei zur «Fehlbesetzung herabgewürdigt» worden, ohne dass sich die bürgerlichen Parteien die Mühe gemacht hätten, sie anzuhören: «Wir sind empört»
(siehe «St. Galler Tagblatt», Paywall).Entscheid war «nicht knapp»
Bemerkt sei, dass in der Mitte des Parteienspektrums noch am ehesten konkrete Zweifel an Mettlers Qualifikationen geäussert wurden. Gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» sagte Andreas Widmer, der CVP-Fraktionschef, die ablehnende Haltung bei CVP und Grünliberalen sei nach der Anhörung der Kandidatin «nicht knapp» ausgefallen. Den Kopf geschüttelt hätten auch CSP-Vertreter, die sonst zu SP-Persönlichkeiten positiv eingestellt seien.
Dass hinter dem vordergründigen Parteien-Geplänkel mehr steckt, wurde greifbar bei einem Streitgespräch zwischen Peter Hartmann, dem Fraktionspräsidenten der SP, und Walter Locher, dem Fraktionsvize der FDP. Im
«Regionaljournal» von Radio SRF wiederholte Locher, dass man Fragen zu Marianne Mettler gehabt habe – er äusserte aber keinen einzigen konkreten Kritikpunkt an der Ökonomin.
Wen haben die Bürgerlichen in der Hinterhand?
Für SP-Mann Hartmann schien denn klar, dass die Sache abgekartet war: Bereits letztes Jahr hätten die Bürgerlichen eine bestimmte Person für das Präsidiums-Amt ins Gespräch gebracht. Die Regierung habe damals aber versprochen, ein ordentliches Suchverfahren durchzuführen, und am Ende erachtete sie Mettler unter fünf ernsthaften Kandidaten als die beste.
Indirekt bestätigte Locher diesen Sachverhalt: Ja, man haben einen Vorschlag gemacht. Aber dann sei man von der Regierung Ende April quasi vor vollendete Tatsachen gestellt worden, ohne zwischenzeitlich etwas gehört zu haben. «Die Regierung hat einfach einen Vorschlag ohne Rücksprache gebracht.»
Wer will da überhaupt noch kandidieren?
Wer dieser bürgerliche Hoffnungsträger ist, verrieten die Politiker nicht. Dass es ein Mann ist, lässt sich vermuten: Sonst könnte die SP Marianne Mettler kaum so entschlossen als Opfer ihres Geschlechts darstellen.
Allein: Offen ist nun, wie der Kanton St. Gallen zu einer noch qualifizierteren Spitalpräsidentin kommen soll. Peter Hartmann äusserte Zweifel, ob sich bei diesem Wahlverfahren überhaupt noch jemand bereit erkläre für den Job. Eine Frage, die auch der Ostschweizer SBK in den Raum stellt: «Wer will sich künftig noch für solche Posten bewerben, wenn sie in Kauf nehmen müssen, an den öffentlichen Pranger gestellt zu werden?»
«Mehr als unwürdig»
Und so fiel auch der Kommentar in «St. Galler Tagblatt» und «Thurgauer Zeitung» sehr kritisch, ja fast bitterböse aus: Was die bürgerlichen Parlamentsfraktionen geboten haben, sei «niederträchtig»: «Sie lancierten eine Schlammschlacht, die ihresgleichen sucht, nachdem offenbar im Bewerbungsverfahren kein Kandidat, der ihnen genehm gewesen wäre, überzeugen konnte.»
Und weiter: «Dass sich die Bevölkerung des Kantons St. Gallen auf politisch rauhe Zeiten gefasst machen musste, war seit den letzten Wahlen anzunehmen. Dass jedoch Zwängerei und Intrigen das politische Tagesgeschäft bestimmen, ist eines Kantons St. Gallen mehr als unwürdig.»