Salopp fuhr die
«Sonntags-Zeitung» allen Teilzeit-Ärztinnen an den Karren. Sie schrieb: «75 Prozent aller Praxisärztinnen arbeiten Teilzeit. Klingt modern und nach guter Work-Life-Balance. Für die Patienten hingegen ist es vor allem eines: mühsam.»
So schrieb die «Sonntags-Zeitung» über Teilzeitärztinnen. | SZ
Es folgten zwei Beispiele als «Beweis»:
- Eine 78-jährige pensionierte Lehrerin, die befürchtete, an Demenz zu leiden, und vier Tage – inklusive Wochenende – auf die Besprechung eines Hirn-MRI warten musste, weil ihre Ärztin erst am Montag wieder arbeitete.
- Ein 78-Jähriger, der nach einem Spitalaufenthalt mit seiner Ärztin die Nachsorge besprechen wollte, dann aber einer Kollegin zugewiesen wurde, weil bei seiner Ärztin erst zwei Wochen später wieder ein Termin frei gewesen wäre.
Zitiert wird zudem ein Arzt, der – anonym – feststellte: Mit Teilzeitpensen bis 60 Prozent leide die Qualität und die Kompetenz.
FMH verteidigt Teilzeitpensen
Der Ärzteverband FMH kam erst später zu Wort: Er sieht keine Nachteile darin, dass immer mehr Ärztinnen – und übrigens auch immer mehr Ärzte – nicht Vollzeit arbeiten. In Notfällen sei die Qualität sogar besser gewährleistet, weil bei Teilzeit-Ärztinnen in der Regel mehrere Personen Zugang zur Krankengeschichte haben.
Die Teilzeit-Ärztinnen kamen im Artikel nicht zu Wort. Sie hätten aber durchaus Argumente. Eine Teilzeit-Hausärztin stellt in einem Kommentar klar: «Die Wartefristen waren früher nicht unbedingt kürzer. Bis der Befund per Post in der Praxis war, vergingen auch oft zwei bis drei Arbeitstage.» Ausserdem handle es sich bei Demenz nicht um eine Notfall-Diagnose.
Einiges weniger polemisch als die Zeitung argumentiert sie: «Die Ungewissheit ist beängstigend und belastend. Das sei aber nicht die Schuld der Hausärztin, sondern liege in der Natur der Sache.
Hausarzt befürwortet Teilzeit
Auch ein altgedienter Hausarzt, der oft 60 bis 90 Stunden pro Woche arbeitete, kommentierte den Artikel kritisch: «Ich möchte jene Zeit nicht noch einmal durchmachen müssen.» Das Sozialleben, die Hobbies und die Partnerschaft hätten gelitten.
Und er sagt: Die Beispiele der beiden Patienten, die warten mussten, würden vor allem von zwei Problemen zeugen: Erstens von einer Anspruchshaltung, welche die Arztpraxen und Notfallstationen überlasten würden. Und zweitens von der Schwierigkeit sich erforderlichen Veränderungen stellen zu wollen.
Was im Artikel behauptet wird – dass Patienten Teilzeit-Hausärztinnen vor allem mühsam fänden – dürfte längst nicht für alle Patienten zutreffen. Ein Kommentar zum Artikel lautete: «Mir ist lieber, eine Hausarztpraxis wird von Ärztinnen in Teilzeit weitergeführt, als aufgegeben.»