Behandlungsverbot: Ärzte wenden sich jetzt direkt an den Bundesrat

Dutzende Ärztinnen und Ärzte aus der ganzen Schweiz fordern: Alle Untersuchungen und Behandlungen sollen ab Montag wieder erlaubt sein.

, 16. April 2020 um 05:39
image
  • spital
  • ärzte
  • politik
  • coronavirus
Seit Wochen leere Betten, leere Wartezimmer und zum Teil Kurzarbeit für das Personal. So lässt sich die Situation in Schweizer Spitälern und Praxen derzeit grob beschreiben. Um den Ansturm von Covid-19-Patienten besser zu bewältigen, mussten Spitäler und Praxen in den «Corona-Krisen-Modus» umschalten: Nicht dringliche und aufschiebbare Behandlungen und Therapien sind seit dem 17. März untersagt. Auf Geheiss des Bundesrates. 
Das lange Warten kostet viel Geld: keine Patienten, keine Einnahmen. Eine Gruppe von Ärzten fordert nun, die Massnahmen rasch zu lockern. In einem Brief an den Bundesrat verlangen die Mediziner, den flächendeckenden Lockdown der Spitäler aufzuheben: Alles, was keiner Narkotika, Sedativa oder starker Analgetika bedarf, soll wieder zu operieren erlaubt sein. Und auch alle Untersuchungen und Behandlungen in Praxen, welche ambulant und ohne Narkotika möglich sind, sollten den Ärzten nicht mehr verwehrt bleiben. 

«Peak gilt als überschritten»

Das Argument der Ärzte: Analysiere man die Fakten zur Covid-19-Pandemie und deren Verlauf in unserem Land wissenschaftlich, komme man zum Schluss, dass es gelungen sei, «die Kurve» soweit zu glätten, dass eine Überlastung unseres Gesundheitssystem nicht stattfinden werde. 
«Von einer solchen sind wir sogar deutlich entfernt und somit in Bezug auf die wünschenswerte 'Herdenimmunisierung' bereits auf der kontraproduktiven Seite», steht im Brief zu lesen. Weiter dürfe der Peak der täglichen Neuerkrankungen als inzwischen in der ganzen Schweiz überschritten gelten. 

Lockerung ab 20. April gefordert

Die unterzeichnenden Mediziner sehen sich – selbst als Nicht-Epidemiologen – in «besonderem Mass» berechtigt, an der aktuellen Diskussion zum Exit aus den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus teilzunehmen. Die Lockerung soll bereits per Montag, 20. April stattfinden, wie die Ärzte fordern. 
Unterzeichnet wurde der Brief von mehr als 110 Ärztinnen und Ärzte aller medizinischen Fachrichtungen, weitere sollen laufend hinzukommen. Einige haben mit Namen unterzeichnet, zum Beispiel Jürg Lareida, der Präsident des Aargauischen Ärzteverbandes. Andere wollten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anonym bleiben. Die Mediziner stammen fast ausschliesslich aus dem Umfeld von Privatkliniken oder führen eigene Praxen.

Das teure Warten soll bald ein Ende haben

Bereits letzte Woche haben sich der Spitalverband H+ und die Gesundheitsdirektoren im Hintergrund für eine Lockerung für Wahleingriffe eingesetzt. Der Bundesrat strebt eine schnelle Rückkehr zur Normalität für Spitäler an, wie Daniel Koch vom BAG vergangene Woche vor den Medien sagte. Man sei sich bewusst, dass in den Spitälern die Behandlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Coronavirus stünden, extrem zurückgegangen seien. 
Am Donnerstag will der Bundesrat nun über die schrittweise Lockerungen der Corona-Massnahmen diskutieren und die Öffentlichkeit darüber informieren. Offenbar sollen am 27. April ambulante Behandlungen wieder zulässig sein, wie Recherchen vom «Blick» ergeben haben. Ab Mitte Mai werden dann laut der Zeitung auch stationäre Wahleingriffe folgen.

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Gefässchirurg wechselt vom Triemli ans Luzerner Kantonsspital

Die Klinik für Gefässchirurgie im Luzerner Kantonsspital hat einen neuen Co-Chefarzt: Nicolas Attigah.

image

Studie: Weniger Narkosegas, mehr Umweltschutz

Das Institut für Anästhesiologie des USZ verwendet weniger Narkosegas, dafür mehr intravenöse Narkosemittel - und konnte damit die Emissionen um 81 Prozent senken.

image

Bundesrat zieht Lehren aus der Pandemie – zumal für Pflegeheime

Bei Epidemien sollen alte Menschen künftig stärker selber entscheiden können. Aber auch Jugendliche sollen psychisch besser betreut werden.

image

Die Ärgernisse der Viszeralchirurgen

Strahlenschutzkurse, Ärztestopp, Meldepflichten, Berufsbewilligungen: Die SGVC erhob die lästigsten bürokratischen Hürden.

image

Hirnschlag erst spät behandelt – Spital nicht schuldig

Ein Genfer Spital hat bei einer Notfall-Patientin erst nach 12 Stunden einen Hirnschlag diagnostiziert. Trotzdem ist es keinen Schadenersatz schuldig.

image

Klinik Pyramide am See zügelt in die Privatklinik Bethanien

Die beiden Zürcher Kliniken von Swiss Medical Network spannen ab Oktober zusammen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.