Alkohol und Medikamente: Ärzte sind besonders suchtgefährdet

Neue Daten aus Deutschland besagen, dass bis zu acht Prozent der Ärzte suchtgefährdet sind – also deutlich mehr als die Normalbevölkerung. Dies hat bei jungen Medizinern offenbar andere Ursachen als bei Älteren.

, 25. Januar 2016 um 15:52
image
  • ärzte
  • sucht schweiz
  • prävention
Man kann da natürlich allerlei faule Witzchen machen nach dem Motto: Wasser predigen, Wein trinken. Laut einer neuen Erhebung der Röher-Parkklinik in Deutschland gaben 11 Prozent der Mediziner an, zum Stressabbau regelmässig Alkohol zu trinken oder Medikamente zu nehmen. Die Online-Erhebung fusst auf einem eher kleinen Sample von 400 Ärzten, doch sie steht in einem fatalen Einklang zu früheren Umfragen und anderen Daten.
So hatte bereits zwei Jahre zuvor eine ähnlich angelegte Studie der Röher-Parkklinik mit 1’287 Ärzten ergeben, dass rund zehn Prozent Alkohol oder Arzneimittel wegen ihrer beruflich belastenden Situation konsumieren. Und der Studienleiter bemerkte damals einen deutlichen Anstieg riskanter Verhaltensweisen seit den 1990er Jahren.

«Bedenkenswert hoch»

Ein Fazit damals: Ärzte sind offenbar deutlich stärker betroffen als die durchschnittliche Bevölkerung. Dies scheint weiterhin gültig zu sein.
«Die Zahlen sind bedenkenswert hoch», kommentierte jetzt die Studienleiterin Katja Geuenich gegenüber «Die Welt». Auch wenn herausgerechnet werde, dass an der anonymisierten Studie vor allem Ärzte mit hohem Stresserleben teilnähmen, läge die bereinigte Zahl bei bis zu acht Prozent. Dies decke sich mit einer Schätzung der Bundesärztekammer, nach der sieben bis acht Prozent der Ärzte mindestens einmal im Leben an einer Suchterkrankung leiden.

Schwer, sich in die Rolle des Patienten einzufinden

«Ärzte sind weitaus stärker von Suchtkrankheiten betroffen als der Rest der Bevölkerung», meint denn auch Hermann J. Paulus in einem Interview mit der «Welt»; Paulus ist Senior Medical Director der auf Suchtkrankheiten spezialisierten Oberbergkliniken. Ein Grund für den überdurchschnittlichen Suchtmittelkonsum, so Paulus, liege darin, dass Ärzte häufig in Ausnahmesituationen arbeiteten, «sie müssen Entscheidungen über Leben und Tod treffen». 
Zudem kämen sie an Suchtmittel wie Opiate und Medikamente ohne Rezept heran.
Laut Hermann Paulus – der selber viele Ärzte therapiert hat – ist es auch anfangs schwieriger, hier die Sucht zu bekämpfen. Dies, weil es «weil es ihnen schwerfällt, sich in die Rolle des Patienten einzufinden. Ist ihnen das aber gelungen, haben sie einen sehr viel besseren Heilungsverlauf.»

Hier «Sensation seeking», da Genusstrinken

Die jüngeren süchtigen Ärzte finde man eher in der Klinik, die älteren mehr in der Praxis: «Jüngere Ärzte probieren häufig mehr aus, neue Medikamente, Opiate, Narkosemittel und andere Substanzen, sensation seeking nenne ich das. Bei denen handelt es sich dann meist um Drogen- beziehungsweise Medikamentenabhängigkeit. Ältere rutschen meist über das Genusstrinken, das Belohnen nach einem anstrengenden Tag in die Alkoholsucht. Der Wein am Abend gehört dazu, das ist ja nicht nur bei Ärzten so.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Zukunftsvisionen für die Gesundheitsversorgung

Beim Roche Forum 2024 diskutierten Expertinnen und Experten zentrale Herausforderungen der Schweizer Gesundheitsversorgung und setzten wertvolle Impulse für die Zukunft.

image

Ein «Curriculum» für junge Hausärztinnen und Hausärzte

Das Spital Bülach hat eine Lösung gegen den Hausärztemangel: Es bildet Ärzte und Ärztinnen speziell fürs Zürcher Unterland aus.

image

Neuer Präsident der Gesellschaft für Dysphagie

Bartosz Bujan von der Klinik Lengg wird Nachfolger von Jörg E. Bohlender

image

Darum ist der Kanton Uri für junge Ärzte interessant

Lange war Uri bei der Ärztedichte das Schlusslicht. Heute zieht es immer mehr junge Ärzte in den Innerschweizer Kanton - dank verschiedenen Förderinitiativen.

image

In Deutschland droht der nächste Ärzte-Streik

60'000 Spitalärzte prüfen den Ausstand. Womit die Streikwelle in Europas Gesundheitswesen bald den nächsten Höhepunkt erreichen könnte.

image

Einstimmig: Zürich soll Medizin-Studienplätze massiv ausbauen

Der Kantonsrat beauftragt die Regierung, zu berechnen, wie 500 zusätzliche Plätze geschaffen werden könnten.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.