Je länger eine Person krank geschrieben ist, desto grösser ist das Risiko einer Chronifizierung. Diese Erkenntnis ist so etwas wie die Raison d’être von
Compasso. Oder wie es der Verein auf seiner Website formuliert: «Das oberste Ziel muss immer der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit sein».
Compasso ist ein Infomationsportal für die Früherkennung und Wiedereingliederung an den Schnittstellen zwischen Unternehmen, Betroffenen, IV, Suva, Pensionskassen und Privatversicherern. Initiant ist der Arbeitgeberverband, der mit Martin Kaiser auch den Präsidenten stellt.
Neu ist, dass der Verein nun auch die Ärzteschaft für ihre Anliegen zu gewinnen vermochte.
Ohne Ärzte geht es nicht
Für Compasso ist diese Zusammenarbeit derart wichtig, dass sie zu einer Medienkonferenz lud. Denn die Ärzte sind in den Eingliederungsbemühungen ein wichtiger Player. Sie haben es mit den Arztzeugnissen in der Hand, eine möglichst rasche Wiedereingliederung zu ermöglichen.
In 80 Prozent der Fälle würden im Arztzeugnis eine Arbeitsunfähigkeit von 0 Prozent oder 100 Prozent bescheinigt; eine Teilarbeitsunfähigkeit werde oft gar nicht in Erwägung gezogen, war heute in Bern zu vernehmen.
Martin Kaiser: «Je länger ein Arbeitnehmer weg ist, umso unwahrscheinlicher wird eine Rückkehr an den Arbeitsplatz.»
Doch den Ärzten fehlten die notwendigen Kenntnisse über Anforderungen und Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz des Patienten, erklärt Compasso-Präsident Martin Kaiser. Dies mit schwerwiegenden Konsequenzen: «Je länger ein Arbeitnehmer weg ist, umso unwahrscheinlicher wird eine Rückkehr an den Arbeitsplatz.»
REP – ein Kürzel zum Merken
Mit einem webbasierten ressourcenorientierten Eingliederungsprofil (REP) sollen Ärzte mit den notwenigen Informationen versorgt werden. Arbeitgeber, Ärzteschaft und der Bund haben es unter der Federführung von Compasso entwickelt.
Mit diesem REP halten die Arbeitgeber online die Arbeitsplatzanforderungen fest. Das detaillierte Eingliederungsprofil sind durch den Arbeitgeber und den betroffenen Arbeitnehmer zu unterzeichnen. Letzterer nimmt es zum nächsten Arztbesuch mit.
Aufgrund dieser Angaben sollten die Ärzte die erforderlichen Informationen erhalten, um beurteilen zu können, wieweit der Patient in der Lage ist, die Anforderungen zu erfüllen. Auf dieser Basis lässt sich ein detailliertes Arztzeugnis ausstellen.
Pierre Vallon: «Gerade auch Psychiatern ist die Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit und der Wiedereingliederung ein wichtiges Anliegen».
Es ist kein Zufall, dass die Ärzteschaft durch einen Psychiater vertreten ist. «Gerade auch Psychiatern ist die Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit und der Wiedereingliederung ein wichtiges Anliegen», sagte Pierre Vallon, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie.
Denn die meisten erkrankten Patienten wollen wieder arbeiten. «Arbeiten ist auch Therapie», weiss Vallon, der auch Vorstandsmitglied bei FMH ist. Ärzte seien auf präzise Arbeitsplatzbeschreibungen angewiesen, um eine konkrete, arbeitsplatzbezogene Beurteilung abgeben zu können.
Gelingt es, mit diesem Instrument eine möglichst rasche Wiedereingliederung zu ermöglichen, entstünde eine Win-win-win-Situation: Arbeitgeber, Sozialversicherung und der Patient hätten alles Interesse an einer baldigen Rückkehr. Und nochmals: Je länger die Absenz, desto grösser das Risiko einer Chronifizierung.