Geburtshäuser und Spitäler: Ein schwieriges Verhältnis

Manchmal fehlt es am Verständnis, manchmal ist es Neid: Warum die Geburtshäuser oft ein Problem mit Spitälern und Rettungsdiensten haben.

, 16. Februar 2022 um 10:42
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Anfang Jahr drohte dem Geburtshaus Luna in Ostermundigen das Aus. Der Grund: Das Geburtshaus hatte keinen Kooperationsvertrag mehr, der garantiert, dass im Notfall eine Ärztin oder ein Arzt in 15 Minuten vor Ort ist. Medinside berichtete hier darüber.

«Medizinische Werte stimmen nicht überein»

Weder die Hirslanden-Privatklinik Salem noch die Sanitätspolizei Bern wollten noch weiter mit dem Geburtshaus zusammenarbeiten. Die Übereinstimmung der medizinischen Werte, eine ausreichende Vertrauensbasis und eine funktionierende Kommunikation habe gefehlt, begründete die Sanitätspolizei ihren Entscheid.
Mittlerweile hat die Sanitätspolizei zumindest bis Ende Jahr für eine weitere Zusammenarbeit eingelenkt. Aber das Ostermundiger Geburtshaus ist kein Einzelfall. Weshalb haben Geburtshäuser immer wieder Probleme mit dem Rettungsdienst oder den Spitälern?

Ein «Kampf» um jede Geburt?

Der Hauptgrund dürfte sein: Weil Geburten halt auch ein mehr oder weniger lukratives Geschäft sind. Doch ist es tatsächlich so, dass Spitäler und Geburtshäuser sich ihre Geburten nicht gönnen? «Dies ist eine Tatsache», sagt Susann Brun, Co-Präsidentin der Interessengemeinschaft der Geburtshäuser Schweiz (IGGH-CH). Sie ist auch Hebamme im Zürcher Geburtshaus Delphys.
«Hauptsächlich für kleinere Regionalspitäler mit relativ tiefen Geburtszahlen könnte ein grosses Geburtshaus eine ungewollte Konkurrenz sein», sagt sie. Doch genau auf solche Spitäler sind manche Geburtshäuser angewiesen - oft sind sie das einzige in der näheren Umgebung.

Mindestfallzahl - sonst droht Schliessung

Gleichzeitig sind diese Spitäler aber unter starkem Druck. Sie müssen eine Mindestfallzahl ausweisen, damit sie überhaupt überleben können. Immer wieder müssen kleinere Regionalspitäler ihre Geburtenabteilungen schliessen, weil diese nicht mehr rentieren.
So kann es durchaus zu unguten Konfrontationen zwischen Spitälern und Geburtshäusern kommen. Susann Brun schildert das Dilemma folgendermassen: «Für Geburtshäuser ist eine von Toleranz geprägte Zusammenarbeit mit einer Klinik sehr wichtig.» Denn auch wenn Familien ein Geburtshaus wählen, ist es trotzdem so, dass nicht alle begonnenen Geburten im Geburtshaus auch dort enden können.

Je nach Tagesform und Auslastung nicht einfach

Verlegungen seien aber selten notfallmässig und würden sich im Vorfeld meist abzeichnen, sagt Susann Brun. In der Regel sei für das Geburtshausteam und die Klinik klar, wie eine Verlegung abzulaufen hat. «Dies schliesst aber nicht aus, dass im Einzelfall je nach Tagesform des Personals und der Auslastung des Spitals der Empfang nicht dem vereinbarten Umgang entspricht», so Susann Brun.
In einer solchen Problemsituation sei eine Vorverurteilung des Geburtshauses daher durchaus möglich. Brun stellt auch klar: «Solche Situationen gehören nicht zur Tagesordnung, weshalb man nicht von systematischen Schwierigkeiten sprechen kann.»

22 Geburtshäuser

Und trotzdem wehrt sich Susann Brun gegen das Vorgehen einzelner Spitäler und Rettungsdienste. «Es darf nicht sein, dass sie ihre Position ausnützen und Vorgaben machen, welche nicht der Philosophie des Geburtshauses entsprechen.»
In der Schweiz gibt es 22 Geburtshäuser. Die Häuser werden von Hebammen geleitet. Spital und Geburtshaus stehen in direkter Konkurrenz zueinander, wirtschaftlich und zuweilen auch ideell. Allerdings sind die Rollen klar verteilt: Im Jahr 2020 kamen in der Schweiz rund 86'000 Kinder zur Welt, rund 2000 davon in einem Geburtshaus.

Anmeldung im Geburtshaus verweigert

Trotzdem kommt es vor, dass sich Ärzte gegen Geburtshäuser wehren. In selten Fällen bis zur Eskalation: Schwangere, die im Geburtshaus gebären wollen, werden nicht weiter behandelt oder es wird ihnen eine Anmeldung im Geburtshaus verweigert.
Warum? Susann Brun: «Die Geburtshäuser pflegen die physiologische Geburt und haben einen engen Kontakt zu den Paaren während und nach der Schwangerschaft. Sie fördern Selbständigkeit und die Wahlfreiheit der Gebärenden. In einem Umfeld, das auf Periduralanästhesie und Kaiserschnitt orientiert ist, kann diese Haltung natürlich auch als störend und als Konkurrenz empfunden werden.»

Der gescheiterte Vertrag mit dem Salem-Spital

Schon 2018 hatte das Luna Schwierigkeiten mit einem Zusammenarbeitsvertrag. Damals wollte das Geburtshaus mit dem Berner Hirslanden-Spital Salem kooperieren. Das Spital kündigte den Vertrag nach einigen Monaten wieder.
Der Grund: Unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des aus medizinischer Sicht geeigneten Überweisungszeitpunkts. Das Geburtshaus präzisierte darauf: Das Spital habe eine Mindestaufenthaltsdauer festlegen wollen. Nach der Entbindung hätten die Gebärenden aus dem Geburtshaus mindestens 48 Stunden in der Klinik verbringen sollen.
Geburtshäuser und Spitäler sind sich nicht einig darüber, ob es bei dieser Forderung nur ums Geld geht oder ob es wichtige medizinische Gründe dafür gibt.
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