Depressionen: So lassen sich Rückfälle voraussagen

Forschende der Uni und der ETH haben einen neuen Indikator entwickelt. Dieser lässt das Risiko für Rückfälle bei Depressiven besser abschätzen.

, 20. Februar 2020 um 10:00
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Nach dem Absetzen von Antidepressiva fällt schätzungsweise jede dritte Person in den ersten sechs Monaten wieder in eine Depression zurück. Mit einem neuen Instrument lassen sich Rückfälle teilweise voraussagen. Dies zeigen Forschende in einer vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Studie.
Personen, die einen solchen Rückfall erleben, benötigen nämlich häufig länger, um sich zu entscheiden, wie viel Anstrengung sie für eine Belohnung investieren möchten, so der neue Indikator. 

Entscheidungszeit bei Motivationsspiel messen

Bei zwei von drei Personen wird aufgrund der Entscheidungszeit richtig vorausgesagt, ob sie einen Rückfall erleiden werden. Zudem, so die Forschenden weiter, war sie aber auch innerhalb der Patientengruppen bei Personen noch länger, die nach dem Absetzen einen Rückfall erlitten: durchschnittlich 1,95 Sekunden. 

Einen Ballon aufblasen und Punkte gewinnen

Zum Messen der Entscheidungszeit wurde den Teilnehmenden folgende Aufgabe gestellt: Sie mussten eine Taste am Computer drücken, um Punkte zu gewinnen. Sie hatten fünf Sekunden Zeit, um sich zwischen zwei Alternativen zu entscheiden, für die mehr oder weniger Anstrengung nötig war. Sie konnten entweder für einen Punkt 20-mal die Taste drücken, oder für drei bis sieben Punkte 100-mal abhängig von der aktuellen Aufgabenstellung. Nach der Entscheidung hatten die Teilnehmenden jeweils 40 Sekunden Zeit, um die Taste so oft zu drücken, wie sie gewählt hatten. Damit konnten sie dann einen virtuellen Ballon aufblasen, der platzte, wenn sie genügend oft gedrückt hatten. Alle Teilnehmenden erledigten diese Aufgabe je 60-mal.
Die Studie wurde an der Translational Neuromodeling Unit der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Charité in Berlin durchgeführt. Depressionen sind eine weit verbreitete und mit hohen Kosten verbundene Krankheit mit einem schwierig vorherzusehenden Verlauf.

Erkenntnisse für die Praxis noch nicht reif

Das Experiment zeigte weiter: Ehemals depressive Personen wählten häufiger die am wenigsten anstrengende Option. Die Forschenden beurteilen dies als ein Anzeichen dafür, dass die Depression nach wie vor asymptomatisch im Hintergrund präsent sei. Das Modell habe ausserdem gezeigt, dass Personen mit erlebter depressiver Phase Anstrengungen eher vermeiden.
Obwohl die Studie gezeigt habe, dass die Entscheidungszeit gewisse Prognosen zum Rückfallrisiko ermögliche, seien diese Erkenntnisse für eine Anwendung in der Praxis noch nicht reif. «Unsere Ergebnisse müssten an einer grösseren Stichprobe validiert werden, da unsere relativ klein war», sagt Erstautorin Isabel Berwian. Die Daten stammen von 123 Patienten und 66 gesunden Vergleichspersonen.
 I. M. Berwian, J. Wenzel, A. G. E. Collins, E. Seifritz, K. E. Stephan, H. Walter, Q. J. M. Huys: «Computational mechanisms of effort and reward decisions in depression and their relationship to relapse after antidepressant discontinuation», in: «Jama Psychiatry» 19. Februar 2020.
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