Der Nationalrat will nun genauer wissen, was leitende Ärztinnen und Ärzte in Spitälern und Kliniken eigentlich verdienen. Mit grosser Mehrheit hat die grosse Kammer des Parlaments eine Motion von Bea Heim angenommen,
wie Medinside berichtete. Die Gesundheitspolitikerin will nun alle Listen- und Vertragsspitäler gesetzlich dazu verpflichten, die Honorarsysteme und sämtliche Vergütungen der Kaderärzte auszuweisen.
Bea Heims Vorschlag zielt vor allem auf die Problematik der Boni und mengenbezogenen Anreize ab. Wie viele Ärzte wirklich davon profitieren, ist aber unklar. Die Rede ist von einem Viertel der leitenden Ärzte, die einen Bonus kassieren, wenn es ihnen gelingt, mit Operationen Umsatz und Gewinn des Spitals zu steigern. Ob dies tatsächlich zutrifft, lässt sich aber nicht schwarz auf weiss belegen. Umso mehr ein Grund, so die Überlegungen der Solothurner SP-Politikerin, ein Gesetz zur Vergütungstransparenz im Spitalbereich zu schaffen.
H+ und dessen Präsidentin scheinen uneins zu sein
Die Motion der Solothurner SP-Nationalrätin Heim hat viele ihrer Kolleginnen und Kollegen überzeugt; einzig die SVP-Fraktion lehnte den Vorschlag ab. Auch Isabelle Moret steht hinter der Idee, dass Spitäler unter anderem in einem Vergütungsbericht alle Kaderarztsaläre offenlegen müssen. Dies zeigt das Abstimmungsprotokoll. Die höchste Vertreterin der Spitäler stellt sich damit gegen die Meinung des Spitalverbandes H+, den die Waadtländer FDP-Nationalrätin seit über zwei Jahren leitet.
Morets Befürwortung sei im Kontext zu verstehen, dass die FDP-Fraktion sich entschieden habe, die Motion zu unterstützen, lässt die Präsidentin über den Dachverband ausrichten. Doch es zeigt sich, dass sich nicht die ganze FDP-Fraktion daran gehalten hat: Hans-Ulrich Bigler vom Gewerbeverband und Unternehmer Peter Schilliger lehnten den Vorstoss ab.
Für den Dachverband H+ ist klar: Neue Regelungen für mehr Vergütungstransparenz im Spitalbereich sind nicht notwendig. Bei den öffentlichen Spitälern können die Kantone über die Eignerstrategie Einfluss auf die Transparenz der Vergütungen und der Lohnysteme nehmen, wie H+-Sprecherin Dorit Djelid auf Anfrage sagt. Und Privatspitäler sollen laut dem Verband gleich behandelt werden wie andere Aktiengesellschaften oder Stiftungen.
Künftiges Kriterium für die Spitalliste
Der Vorschlag von Bea Heim verlangt sämtliche Bezüge der Kader- und Belegärzte auszuweisen, etwa auch aus Zusatzversicherungen und Expertisentätigkeiten. Ähnlich wie wir es von börsenkotierten Unternehmen nach der Abzocker-Initiative bereits kennen. Doch die Motion geht noch weiter: Es wird verlangt, die Offenlegungspflicht als Bedingung für die Aufnahme auf der Spitalliste zu verknüpfen.
Für den Spitalverband H+ wird damit aber die Spitalplanung für die Beeinflussung des Lohnystems missbraucht. «Die Spitalplanungen und die Erteilung von Leistungsaufträge sollen nach medizinischen und versorgungspolitischen Kriterien erfolgen», so die Meinung des Verbands.
Bund und Kantone blicken in die gleiche Richtung
Das Thema rund um die Kaderärztelöhne treibt seit längerem auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) um. Dieses Gremium empfiehlt Listenspitäler Bonuszahlungen zu untersagen, die von Fallzahlen abhängen. Für die GDK sind diese Entlöhnungssysteme unzweckmässig und fördern unwirksame Leistungen für die Patienten – und somit unbegründete Kosten zulasten der obligatorischen Krankenkasse und der Kantone. Ein Anliegen, das auch die Ärztevereinigung FMH seit Jahren teilt und in der Standesordnung festhält.
Und auch der Bundesrat blickt in die gleiche Richtung wie die Empfehlungen der GDK: Die Landesregierung prüft derzeit ähnliche Überlegungen zur Offenlegung der Abgeltung von Kaderärzten – auf Stufe Verordnung oder Gesetz. So sollten die Kantone bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität etwa auch die Vergütungstransparenz und die Vermeidung von mengenbezogenen Entschädigungen beachten müssen, so der Tenor.
Im Raum steht eine Lohndeckelung
Die Gesundheitsdirektoren möchten gleichzeitig, dass Kantone Lohnobergrenzen für Spitalkaderärzte einführen. Konkrete Zahlen oder Empfehlungen nennt das GDK-Gremium keine. Wie hoch die Saläre der Chef- und Kaderärzte in der Schweiz tatsächlich sind, darüber lässt sich nur spekulieren. Einer Studie von Vergütungsexperte und Berater Urs Klingler zufolge soll der Grossteil der Schweizer Chef- und Belegärzte zwischen 350’000 und 1,5 Millionen Franken pro Jahr verdienen. Der Durchschnittslohn wiederum liege bei rund einer Million Franken.
Ob gewisse Spitalärztelöhne «überhöht» sind oder nicht, lässt sich immer noch schwer sagen. Offenbar scheinen die Spitäler selber zum Teil keinen Überblick über die Einnahmequellen ihrer Kaderärzte und -ärztinnen zu haben. Damit fehlt den Kantonen die Möglichkeit, ihrer Aufsichtspflicht in diesem Bereich vollumfänglich nachzukommen, wie Bea Heim in ihrer Motion argumentiert.
Chefarztlöhne sind Sache der Kantone
Im Kanton Solothurn etwa verdient der bestverdienende Kaderarzt der Solothurner Spitäler (soH) rund 890'000 Franken – bestehend aus Grundlohn, Leistungsbonus, Honorare aus Zusatzversicherungen sowie Praxishonorare. Anders im Kanton St. Gallen: Dort werden die Löhne an den Spitälern bereits gedeckelt. Am Kantonsspital (KSSG) darf beispielsweise kein Arzt mehr als 700'000 Franken im Jahr verdienen. Auch am Unispital Lausanne darf kein Chefarzt mehr als 550'000 Franken verdienen.
Die Lohndebatte ist bereits in vielen Kantonsparlamenten und Spitälern angekommen. Einige Spitäler überarbeiten derzeit die Vergütungsreglemente, in denen häufig keine Honorarzahlungen mehr vorgesehen sind. Der Kanton Bern zum Beispiel machte jedoch vor Kurzem klar, weder Obergrenzen noch Boni-Verbote einzuführen. Dass dereinst eine einheitliche Linie hervorgeht, ist unwahrscheinlich. Es ist aber gut möglich, dass künftig die Kantonsparlamente eine Lohnobergrenzen von Chefärzten festlegen.