Als Medinside mit Janosch Doblies den Termin zu diesem Interview vereinbarte, sagte er, er habe am Donnerstag frei. Frei zu haben heisst für den Assistenzarzt, dass er zu seiner zweieinhalbjährigen Tochter schaut und den Haushalt erledigt. Er arbeitet 60 Prozent, seine Partnerin – ebenfalls eine Ärztin – auch. Hier schildert Doblies, wie es ist, «Teilzeit»-Arzt zu sein.
Janosch Doblies, wie teilen Sie das auf: Einerseits Ihre Arbeit als Assistenzarzt im Spitalzentrum Biel und andererseits Ihre Arbeit als Familienvater?
Ich arbeite drei Tage in der Woche, meine Partnerin auch. Da wir auch Wochenenddienste haben, geht es meistens auf, dass immer jemand zu unserer Tochter schaut.
Sie sagen, es gehe meistens auf.
Ja, wir planen immer wieder neu. Ein Vorteil ist, dass wir beide auf dem Notfall im Spitalzentrum Biel arbeiten. So können wir die Dienstpläne recht gut aufeinander abstimmen. Manchmal schauen auch die Grosseltern zu unserer Tochter. In die Kita geht sie nicht; das ist ein Vorteil.
Ein Vorteil?
Ja, es würde schwierig, wenn sie krank ist und nicht in die Kita könnte. Wir müssten notfallmässig eine Betreuung organisieren. Im Spital sind wir ein kleines Team; da sind Ausfälle nicht so einfach verkraftbar. Ausserdem war für mich schon immer klar: Wenn ich Kinder habe, möchte ich auch zu ihnen schauen und sie nicht nur am Abend sehen.
Hat Ihnen nie jemand gesagt, dass das nicht geht, wenn Sie Arzt sind?
Nein, direkt nie. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass unterschwellig diese Meinung vorhanden ist. Als ich nach dem Staatsexamen im Spital Münsingen arbeitete, waren wir auf der Inneren Medizin und der Chirurgie alle zu 100 Prozent angestellt. Ich kenne auch einige Ärzte und Ärztinnen, die beide voll arbeiten und ihre Kinder von Montag bis Freitag in die Kita geben.
Ist es einfach, als Assistenzarzt eine Teilzeitstelle zu finden?
Nein. Es braucht eine Ärztin oder einen Arzt in leitender Funktion, die Verständnis haben. Oder Kolleginnen und Kollegen, die vorher bereits für Teilzeitstellen gekämpft haben. In einer grösseren Klinik sind Teilzeitstellen noch eher möglich. In einer kleinen Klinik ist es definitiv eine Ausnahme.
Und wie fanden Sie Ihre erste Teilzeitstelle?
Das war damals noch in der Pädiatrie. Eigentlich hatte ich schon eine Vollzeit-Stelle in Aussicht. Dann wurde meine Partnerin schwanger, und ich fragte, ob ich reduzieren könne. Allerdings gab es einzig die Möglichkeit für eine 50-Prozent-Stelle und das auch nur nach einem halben Jahr Einarbeitungszeit mit 100 Prozent. Das ging zum Glück auf mit dem halbjährigen Mutterschaftsurlaub meiner Partnerin. Auf dem Notfall war es dann aber kein Problem, direkt mit 60 Prozent einzusteigen.
Haben Sie das Gefühl, mit einer Teilzeitstelle ein gleich guter Arzt zu sein wie mit einer Vollzeitanstellung?
Es kommt drauf an. Ohne Kind und mit einer Vollzeitstelle würde ich rein beruflich an einem anderen Ort stehen. Ich hätte Ende dieses Jahres vermutlich einen Facharzttitel. Davon bin ich jetzt aber noch weit entfernt. Dafür bin ich im Umgang mit Patienten und überhaupt mit anderen Menschen sicher mindestens gleich gut wie Kollegen und Kolleginnen, die mehr arbeiten. Mit der Kinderbetreuung lernt man Einfühlsamkeit und hat viele soziale Kontakte. Ich bin auf der Arbeit auch motivierter, weil ich danach in der Freizeit mehr Abstand dazu habe.
Bekamen Sie auch schon Sprüche von Kollegen oder Vorgesetzten zu hören?
Nein. Hier im Notfall sind fast alle teilzeitlich angestellt. Es ist eher so, dass ich mir manchmal selber Fragen stelle. Die meisten Kolleginnen und Kollegen vom Studium haben keine Familie, arbeiten voll und sind schon fast beim Facharzttitel. Bei mir hingegen ist noch alles offen.
Und Teilzeitarbeit ohne Familie ist gar kein Thema?
Manchmal schon. Aber dann kommt auch gleich der Einwand: Wenn alle anderen 100 Prozent arbeiten ist es schwierig zu reduzieren. Moment schnell… (Janosch Doblies erklärt seiner Tochter liebevoll, dass er noch kurze Zeit telefoniert und sich dann wieder um sie kümmern wird). Ja, wo waren wir?
Ist es für Frauen einfacher, eine Teilzeitstelle zu finden?
Einfacher vielleicht nicht. Aber es wird mehr Verständnis für sie aufgebracht. Teilzeitarbeit wird bei Frauen eher akzeptiert. Weil es dem klassischen Bild entspricht, dass Frauen reduzieren und der Mann voll weiterarbeitet.
Was müsste ändern, damit Ärzten mehr Teilzeitarbeit zugestanden wird?
Ich glaube die Ungleichheit fängt schon sehr früh an, nämlich beim Mutterschaftsurlaub. Frauen müssen laut Arbeitsgesetz gezwungenermassen 14 Wochen pausieren. Theoretisch dürften sie nach minimal acht Wochen wieder einsteigen; aber das macht wohl kaum eine. Männer hingegen dürfen sich zehn Tage frei nehmen. Das ist so wenig, dass es gar nicht auffällt. Ich würde deshalb eine Elternzeit einführen. Wenn klar ist, dass nach einer Geburt nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater für eine gewisse Zeit ausfällt, dann wären die Arbeitgeber gezwungen, auch Männer mit attraktiven Arbeitszeiten wieder zurückzuholen.
Würden Sie Kollegen mit Familie zur Teilzeitarbeit raten?
Ja, unbedingt. Der Alltag mit meiner Tochter schenkt mir so viel Freude und ihre beinahe täglichen Entwicklungsschritte mitzuerleben, ist wunderbar. Für uns beide ist das eine extrem wichtige Zeit.
Für Ihre Partnerin auch?
Auch für Frauen ist es von Vorteil, wenn sie nicht «nur» noch Mütter sind. Die Abwechslung macht es meiner Meinung nach aus, dass man sowohl bei der Arbeit, aber auch zuhause mehr Geduld und Motivation hat.
Das eine tun, das andere nicht lassen
«Junge Ärztinnen und Ärzte wollen arbeiten UND ein Privatleben. Geht nicht? Geht doch! Wir zeigen wie»: So wirbt der Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) für seine Förderung von Teilzeitstellen.
Der Verband ist sich bewusst: «Wer Ärztin oder Arzt wird, brennt in der Regel für den Beruf. Doch Berufung darf nicht Ausbrennen heissen. Die meisten unserer Mitglieder möchten ihre Zeit besser zwischen Arbeit und Privatleben aufteilen.»