Jeder weiss es: Wir haben in der Schweiz Überkapazitäten im stationären Bereich der Akutspitäler. Überkapazitäten kann man durch Spitalschliessungen, Spezialisierungen oder Kooperationen abbauen. Das Beste wäre, wenn die Patienten durch ihre freie Wahl entscheiden würden, welche Spitäler ohne wettbewerbsverzerrende Subventionen überleben. In Aarau arbeitet das Kantonspital (KSA) in der Herzmedizin mit der Hirslanden Klinik zusammen. Das KSA bietet Kardiologie an, Hirslanden Herzchirurgie. Diese Kooperation wird in Frage gestellt. Die KSA-Leitung will die Kooperation mit Hirslanden und dem Subunternehmen Herzchirurgie Aarau AG im Besitz der am Berner Inselspital angestellten Professoren Therry Carrel und Lars Englberger nicht fortsetzen. Dass das kein rein unternehmerischer Entscheid ist, machen die KSA-Ärzte Jürg Knuchel (SP) und Ulrich Bürgi (FDP) deutlich. Sie sind als Grossräte Mitverfasser einer Interpellation, die verlangt, dass das KSA den Leistungsauftrag für die gesamte Herzmedizin bekommt. Anstatt in den Ausstand zu treten, greift Grossrat Bürgi nun die Gesundheitsdirektorin Franziska Roth (SVP) an. Sein Kollege Knuchel ist etwas zurückhaltender und will nicht Öl ins Feuer giessen.
Rolf Cavalli kolportiert in der AZ vom 17. Januar, dass sich Gesundheitsdirektorin Roth angeblich allzu oft mit ihrem Parteikollegen Urs Martin aus dem Thurgau unterhält. Er ist bei Hirslanden zuständig für Public Affairs. Im Gegensatz zu den Herren Bürgi und Knuchel hat Urs Martin als Mitglied des Thurgauer Kantonsparlaments noch nie einen gesundheitspolitischen Vorstoss eingereicht, obwohl Hirslanden im Kanton Thurgau keine Klinik betreibt. Ich kenne Urs Martin gut und wäre der erste, der ihn deutsch und deutlich kritisieren würde, wenn er sich als Hirslandenmitarbeiter im Kanton Thurgau mit parlamentarischen Vorstössen in die Vergabe von Leistungsaufträgen an Spitäler einmischen würde, wie Jürg Knuchel und Ulrich Bürgi das als KSA-Mitarbeiter im Kanton Aargau tun. Was die Herren Bürgi und Knuchel im Aargauer Grossen Rat tun, ist nur möglich, weil die Gesundheitswirtschaft dermassen verpolitisiert ist, dass sich nicht einmal Journalisten daran stören, dass Leistungsaufträge nicht wie andere Submissionsverfahren der öffentlichen Hand gehandhabt werden. Und würden Bürgi und Knuchel als Ärzte darüber nachdenken, wie sich die Herzmedizin in den nächsten Jahren entwickelt, kämen sie rasch zur Einsicht, dass die Kardiologie die wichtigere Rolle spielen wird als die Herzchirurgie, weil durch den rasanten technologischen Fortschritt in der Kardiologie Herzoperationen immer seltener werden.
Felix Schneuwly ist Krankenversicherungsexperte beim Internetvergleichsdienst comparis.ch. Von 2008 bis 2011 war er Leiter Politik und Kommunikation beim Krankenkassenverband santésuisse, vorher Zentralsekretär des Schweiz. Blinden- und Sehbehindertenverbandes SBV sowie Generalsekretär der Föderation der Schweiz. Psychologinnen und Psychologen FSP. Er hat in Freiburg i. Ü. Journalistik und Psychologie studiert, verfügt über einen Executive Master in Business and Administration (MBA), AG.