In 6 Punkten: Darum geht es bei der «Hirslanden-Quote»

Mehr Grundversicherte – oder ihr fliegt von der Spitalliste: Das Zürcher Kantonsparlament überwies zwei Initiativen, welche neu in die Spitalstrukturen eingreifen wollen.

, 1. November 2017 um 06:40
image
  • hirslanden
  • zürich
  • spital
  • politik

Was ist geschehen?

Die sogenannte «Hirslanden-Steuer» ist zwar vom Tisch, im Kanton Zürich hält der Druck auf die Privatkliniken Hirslanden und Schulthess dennoch an. Am Montag überwies der Kantonsrat gleich zwei Vorstösse, welche von den Listenspitälern Mindestquoten verlangen.
Laut einer Initiative aus den Rängen der Grüne sollen diese Spitäler künftig mindestens 60 Prozent Allgemeinversicherte behandeln. Laut einer Initiative eines CVP-Vertreters soll die Quote bei 50 Prozent liegen.

Was heisst das konkret?

Die Vorhaben richten sich recht direkt gegen die Zürcher Hirslanden-Klinik, denn nur rund ein Viertel der dortigen Patienten sind lediglich grundversichert. Ebenfalls im Visier steht die Schulthess Klinik, bei der Grund- und Zusatzversicherte etwa im Verhältnis Fifty-Fifty stehen. Es geht also letztlich darum, ob Hirslanden und Schulthess von der Zürcher Spitalliste gestrichen werden sollen.

Was sind die Absichten dahinter?

Es geht um Einsparungen. Über den Kantonsanteil bezahlt die Öffentlichkeit die stationären Aufenthalte von Zusatzversicherten mit, was wiederum zu den Gewinnen von Unternehmen wie Hirlanden oder der Schulthess Klinik beiträgt. Das geht vielen etwas zu weit. Es gehe nicht an, dass Hirslanden mit einem derart hohen Anteil an Zusatzversicherten auch noch 80 Millionen Franken pro Jahr vom Kanton erhalte, sagte Initiant Lorenz Schmid (CVP) in der NZZ: Bei der Schulthess Klinik beträgt der Kantonsanteil, der für Zusatzversicherte ausgeschüttet wird, rund 20 Millionen Franken.

Was sagen die Gegner?

Erstens verweisen sie auf ein rechtliches Problem: Um auf die Quote zu kommen, müsste Hirslanden Zusatzversicherte abweisen, was allerdings dem Gesetz widerspräche.
Aus Sicht der Konsumenten wiederum droht eine Einschränkung. «Eine Patientenquote eliminiert die freie Spitalwahl», sagte Präsidentin Babette Sigg in der NZZ.
Der Verein Zürcher Krankenhäuser verwies schliesslich darauf, dass sich hier ein schwerer Systemeingriff abzeichne. Erster Punkt dabei: Jedes Spital sei auf die Quersubventionierung durch Zusatzversicherte angewiesen – es sei falsch, dieses Engagement im Erfolgsfall abzuschnüren.
Zweiter Punkt: Die grundversicherten Patienten der Kliniken Hirslanden und Schulthess müssten neue Spitäler suchen, falls die Idee umgesetzt würde; das wären etwa 9'000 Personen pro Jahr von Hirslanden und 4'000 von der Schulthess Klinik.
Andererseits könnte die Quote die Privatkliniken dazu bewegen, Zusatzversicherte zu vergrämen. Diese Patienten würden sich einfach ein anderes Spital suchen – ohne dass dies bei den Kosten Veränderungen gäbe. Profitieren würden die öffentlichen Spitäler. Oder aber die Quote würde die Privatkliniken dazu verleiten, Kapazitäten aufbauen: Sie würden mehr Grundversicherte aufnehmen. Damit würden die öffentlichen Spitäler noch schärfer konkurrenziert.

Ist das nur ein Zürcher Thema?

Nein. In St. Gallen gibt es bereits solche Obergrenzen, von der Regierung festgesetzt. Sie liegt derzeit bei 42,8 Prozent – der Anteil der Zusatzversicherten darf nicht höher sein. Deshalb kündigte die Kantonsregierung im Frühjahr an, dass dass die Klinik Hirslanden die Kriterien für einen Verbleib auf der St. Galler Spitalliste nicht erfülle. Nun gelte in diesem Jahr noch eine Übergangsfrist zur Anpassung.

Wie geht es weiter?

Der Entscheid des Kantonsparlaments ist bei weitem noch nicht definitiv. In der Abstimmung ging es lediglich darum, dass die Ideen nicht schon im Vorneherein beerdigt wurden. Nun folgt erst die Kommissionsarbeit, an dessen Ende ein konkreterer Gesetzesentwurf steht. Angesichts der bürgerlichen Mehrheiten – insbesondere des zu erwartenden Widerstands aus den Rängen von FDP, GLP und SVP – dürften die Chancen eher begrenzt sein.
Allerdings bleibt das Thema ohnehin virulent. Die Sozialdemokratische Partei hat in Zürich eine Volksinitiative angekündigt, welche die im Parlament gescheiterte «Lex Hirslanden» nochmals aufbringt.  Diese Idee sieht vor, dass ein Anteil der Gewinne aus den Einnahmen mit zusatzversicherten Patienten besteuert werden. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

So wird KI fit für die klinische Routine

Vivantes integriert mit clinalytix KI in die täglichen Behandlungsprozesse

image

GZO Spital Wetzikon: Definitive Nachlassstundung bewilligt

Damit wird dem Spital Wetzikon die benötigte Zeit eingeräumt, um das Sanierungskonzept anzugehen.

image

Das MediData-Netz: Damit alle profitieren

Die Digitalisierung im Gesundheitssystem ist dringend und bringt Vorteile für Health Professionals und Patient:innen. Die Standardisierung des Forums Datenaustauschs ermöglicht eine sichere Vernetzung und effiziente Prozesse. Das MediData-Netz ermöglicht die schnelle Implementierung neuer Lösungen.

image

Cédric Wermuth macht Spital Zofingen zum Bundes-Thema

Das Spital als «reines Renditeobjekt»? Privatisierung der Grundversorgung? Der Co-Präsident der SP verlangt Antworten vom Bundesrat.

image

Zusatzversicherungen: SVV warnt vor Leistungskürzungen

Bis Ende 2024 dürften drei Viertel der Zusatzversicherungsverträge den neuen Transparenzanforderungen genügen. In der Genferseeregion bleibt der Weg steinig.

image

Gesundheitsfördernde Materialien gesucht?

Die Wahl passender Materialien ist bei Neu- und Umbauten eine grosse Herausforderung – auch im Gesundheitsbereich. Denn diese müssen unterschiedlichen und hohen Anforderungen gerecht werden. Nicht immer ist das jahrelang Eingesetzte die beste Wahl und neue Alternativen haben es schwer.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.