Medscape-Report: «Ich fühle mich wie ein überbezahlter Bürogummi»

Die Online-Plattform «Medscape» hat den diesjährigen «Physician Burnout & Depression Report» veröffentlicht. Rund 13’000 Ärzte aus den USA wurden zu ihrer psychischen Gesundheit befragt.

, 8. Februar 2022 um 16:28
image
  • usa
  • umfrage
  • ärzte
  • spital
  • burnout
  • medscape
Wenn Ärztinnen und Ärzte von ihren Erschöpfungszuständen berichten, tönt das etwa so: «Zu Hause ist es genauso stressig und chaotisch wie bei der Arbeit. Ich kann mich nie entspannen.» Oder so: «Ich verbringe kaum genug Zeit mit den Patienten, ich renne von einem zum nächsten, und nach der Arbeit verbringe ich Stunden mit administrativen Aufgaben. Ich fühle mich wie ein überbezahlter Bürogummi.»
Solche Sätze stehen im «Physician Burnout & Depression Report 2022». Der Bericht aus den USA wird jeweils auf der Online-Plattform «Medscape» veröffentlicht. Rund 13’000 Ärzte aus 29 Fachgebieten nahmen dieses Mal an der Umfrage teil.

Erschöpfungsrate bei Notärzten besonders hoch

47 Prozent der befragten Ärzte gaben an, ausgebrannt zu sein. Im vergangenen Jahr waren es noch 42 Prozent. Damals waren Burnouts vor allem in den Fachgebieten Intensivpflege (51 Prozent), Rheumatolgie (50 Prozent), Infektiologie (49 Prozent) und Urologie (49 Prozent) weit verbreitet. Dem aktuellen Bericht zufolge ist die psychische und physische Belastung insbesondere bei Notärzten stark angestiegen – von 43 Prozent im vergangenen Jahr auf 60 Prozent in diesem Jahr.
Ambulanzen und Spitäler hätten einen grossen Anstieg erschöpfter Ärzte verzeichnet, schreibt «Medscape». So haben im Bericht 2021 46 Prozent der in Ambulanzen tätigen Ärzte und 40 Prozent der in Spitälern tätigen Ärzte angegeben, ausgebrannt zu sein (Bericht 2022: 58 Prozent bzw. 48 Prozent).

Zu viel Bürokratie – die Hauptursache für Burnouts? 

Gemäss der aktuellen Umfrage haben Erschöpfungszustände bei beiden Geschlechtern zugenommen – Ärztinnen berichteten jedoch häufiger von Burnout-Gefühlen. Mehr als zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, dass zu viel Stress ihre Beziehung beeinträchtigen würde.
Als Hauptursache für ihre Erschöpfungszustände nannte die Mehrheit der Ärzte den bürokratischen Aufwand – das war auch in den Jahren zuvor so. Ebenfalls genannt wurde der mangelnde Respekt seitens des Arbeitgebers, der Mitarbeiter etc. und die langen Arbeitszeiten. Viele der Befragten sind denn auch der Meinung, dass flexiblere Arbeitszeiten, mehr Lohn um finanziellen Stress zu vermeiden sowie mehr Respekt von den Arbeitgebern etc. am meisten helfen würden, damit das Stresslevel gesenkt werden könne.

So gehen Ärzte mit Stress im Arbeitsalltag um  

Gemäss der Umfrage ist Sport die am meisten bevorzugte Methode, um Stress zu minimieren. 29 Prozent der Befragten gaben an, am Arbeitsort an Meditationen oder anderen Techniken zum Abbau von Stress teilgenommen zu haben. Ebenfalls 29 Prozent haben ihre Arbeitszeiten reduziert. Ein Viertel der Ärzte gab jedoch an, nichts unternommen zu haben und so weiter zu machen wie bis anhin.

Emotionale Belastungen werden lieber verschwiegen 

Jeder Fünfte der befragten Ärzte machte die Angabe, depressiv zu sein – rund 5 Prozent gaben sogar an, klinisch depressiv zu sein. Gut die Hälfte der Teilnehmer glaubt, mit emotionalen Belastungen alleine umgehen zu können – viele verschweigen diese vor dem Arbeitgeber.
Lesen Sie auch: USA: Wie glücklich sind Pflegekräfte in ihrem Job? 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Medizinprodukte: Swissmedic moniert Mängel in vielen Spitälern

Die Aufsichtsbehörde kontrollierte unter anderem Endoskopie und Instandhaltung – und fand so viele Probleme, dass sie jetzt die Überwachung intensiviert.

image

Thierry Carrel gründet Unternehmen: Carrel Cardio Consulting

Der ehemalige Chefarzt und Klinikleiter arbeitet nun als selbstständiger Chirurg mit Sprechstunden im Bern.

image
Gastbeitrag von André Plass

Eine unabhängige Anlaufstelle garantiert mehr Qualität

Unabhängige Qualitätskontroll- und Meldezentren fürs Gesundheitswesen könnten die Patientenversorgung stark verbessern.

image

Arzt & Co.: Das Kinderarzthaus wird erwachsen

Die neu gegründete Firma Arzt & Co. eröffnet eine erste Hausarztpraxis in Baden. Sie ist ein Schwesterunternehmen der Kinderarzthaus-Gruppe.

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

Vom gleichen Autor

image

«Ich brauchte nach der Pause mindestens drei Jahre»

Daniela Fürer arbeitete rund eineinhalb Jahre als Intensivpflegefachfrau, dann wurde sie Mutter und machte eine lange Pause – bis zum Wiedereinstieg.

image

Quereinstieg Pflege: Hunger auf beruflichen Neubeginn

Der Rucksack von Annette Gallmann und Peter Kienzle ist gefüllt mit allerhand Arbeits- und Lebenserfahrung. Die 47-jährige Gastronomin und der 52-jährige Art Director machen die Ausbildung HF Pflege.

image

Hat das Stethoskop auf Arztfotos seine Berechtigung?

Ärztinnen und Ärzte werden fast immer mit einem Stethoskop um den Hals abgelichtet. Braucht’s das? Und: Ist das medizinische Diagnoseinstrument überhaupt noch zeitgemäss?