Mehr Klagen gegen Spitalpersonal erwartet

Eine Gesetzesänderung im Kanton Luzern hat Folgen: Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal haften für Behandlungsfehler jetzt «persönlich».

, 26. November 2020 um 08:54
image
  • spital
  • praxis
  • ärzte
  • kantonsspital luzern
Es sei eine «unbedachte» Änderung, die Revision des Luzerner Spitalgesetzes. Denn die Neuerung dürfte Privatstrafklagen gegen Spitalpersonal Schub verleihen. Dies schreiben Guido Schüpfer und Walter Fellmann in der aktuellen Ausgabe der «Schweizerischen Ärztezeitung». Schüpfer arbeitet als Leiter Stab Medizin und Co-Chefarzt am Luzerner Kantonsspital (Luks), Fellmann ist als Rechtsanwalt und Professor für Privatrecht tätig.
«Die Haftung der Unternehmen, ihrer Organe und ihres Personals richtet sich nach den Bestimmungen des Privatrechts», steht im neuen Spitalgesetz.
Damit verlieren die Angestellten des Kantonsspitals und der Psychiatrie den Rechtsschutz vor Schadenersatzklagen. Bis anhin war es im Kanton Luzern nämlich nicht möglich, in einem Strafverfahren gegen einen in einem kantonalen Spital angestellten Arzt Zivilansprüche zu stellen.

«Beschaffen kostengünstig das Beweisfundament»

In Zukunft haften mit dem neuen Gesetz neben dem Spital und seinen Organen auch die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal für Behandlungsfehler «persönlich». Ein Behandlungsfehler gilt als eine widerrechtliche Körperverletzung.
Die Gesetzesänderung gebe der festgestellten Tendenz Auftrieb, die verantwortliche Ärzteschaft strafrechtlich zu belangen, schreiben Schüpfer und Fellmann. Denn die geschädigte Person könne nicht nur die Bestrafung des Täters verfolgen, sondern auch «zivilrechtliche Ansprüche» geltend machen.
Die Strafverfolgungsbehörden beschaffen den Betroffenen im Strafverfahren vor diesem Hintergrund dann von Amtes wegen «kostengünstig das Beweisfundament» für einen späteren Schadenersatzprozess gegen den Spitalträger.
Guido Schüpfer, Walter Fellmann: «Ein Behandlungsfehler, als widerrechtliche Körperverletzung», in: «Schweizerische Ärztezeitung», 25. November 2020.

Was die Profis empfehlen

Die kantonalen Spitäler mit angestellten Ärztinnen und Ärzten sind laut den Autoren daher gut beraten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen «adäquaten Versicherungsschutz» zu verschaffen.
Denn ansonsten geht die Reaktion des Spitalpersonals wohl dahin, haftpflichtriskante Therapien und hochriskante Tätigkeiten zu vermeiden. Denn bereits heute lässt sich in der Medizin eine zunehmend kleinere Fehlertoleranz und immer höhere Sorgfaltsstandards feststellen.  
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Bellevue Medical übernimmt im See-Spital eine Abteilung

Aus der Zusammenarbeit wurde eine Übernahme: Nun gehört die Neurologie im See-Spital Horgen ganz der Bellevue Medical Group.

image

Studie: Kinderärzte sind netter als Chirurgen

US-Forscher untersuchten, wie häufig es bei unterschiedlichen Spezialärzten zu Anzeigen kommt, weil sich diese nicht korrekt verhalten.

image

Insel kontert: «Eine Selektion von besonders schweren Fällen»

Das Berner Inselspital wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Behandlungsqualität schlechter sei als an anderen Spitälern.

image

Zuerst Operation in Bern – dann Nachsorge im Emmental

Die Lindenhofgruppe und das Spital Emmental arbeiten noch enger zusammen: Die Patienten wechseln je nach Behandlungsphase das Spital.

image

Spital Affoltern: Neuer Chefarzt Kardiologie

Elefteri Marcel Buset kommt von der Rehaklinik Seewis.

image

Ehemaliger Zürcher Herzchirurg verklagt das USZ

André Plass meldete Missstände am USZ und wartet seither darauf, dass die Verantwortlichen strafrechtlich belangt werden. Auch Thierry Carrel schaltet sich ein.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.