Privatkliniken dürfen wieder weniger Grundversicherte behandeln

Der Kanton Aargau streicht ein Gesetz zum Mindestanteil an Allgemeinversicherten. Damit widersetzt er sich der Empfehlung der kantonalen Gesundheitsdirektoren.

, 22. Juni 2020 um 06:00
image
  • kanton aargau
  • spital
  • reha
  • politik
Ab 1. August 2020 muss der Anteil grundversicherter Patienten im Kanton Aargau nicht mehr mindestens 50 Prozent der Gesamtanzahl der stationären Behandlungen betragen. Die vom Bundesverwaltungsgericht als zulässig erachtete Regelung wird ersatzlos gestrichen, teilte der Kanton Aargau mit.
Seit November 2018 schreibt der Kanton den Spitälern vor, diese Mindestvorgaben einhalten - eine Empfehlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und – direktoren (GDK). Mit der Regelung wollte die Regierung den Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen für ausschliesslich Allgemeinversicherte kontrollieren und falls nötig sanktionieren.

Lockerung zu Gunsten Privatkliniken

Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Vorstoss im Aargauer Kantonsparlament. Die Vorschrift sei «nicht wettbewerbstauglich», so der Grund. Der mehrheitlich bürgerliche Regierungsrat lehnte das Anliegen ab, da eine «Ungleichbehandlung» im Gesundheitswesen drohe. Und es widerspreche dem öffentlichen Leistungsauftrag. Das Kantonsparlament hat nun aber anders entschieden.
Warum gibt es diese Regelung überhaupt? Unterschreitet ein Spital den Mindestanteil von 50 Prozent, kann davon ausgegangen werden, dass Patientinnen und Patienten mit einer Zusatzversicherung halbprivat oder privat bevorzugt aufgenommen werden. Auch andere Kantone haben bereits entsprechende Anforderungen der GDK eingeführt, zum Beispiel St. Gallen.

Allgemeinversicherte auf der Warteliste

Es könnte sein, dass Aargau Privatspitäler nun aus wirtschaftlichen Interessen bevorzugt halbprivat- oder privatversicherte Patienten aufnehmen. Allgemeinversicherte – rund 80 Prozent der Aargauer Bevölkerung – könnten von Privatspitälern so eher abgewiesen oder auf Wartelisten gesetzt werden. Anderseits unterstehen alle Spitäler auf einer kantonalen Spitalliste einer generellen Aufnahmepflicht. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Chefarzt-Rochade bei den Kliniken Valens

Nicolaus Michael wird Chefarzt des Rehazentrums Valens – Roman Gonzenbach konzentriert sich auf seine Funktionen in der Gruppe.

image

Spitäler: Der Bundesrat fühlt sich nicht zuständig

Die Landesregierung bleibt dabei: Es liege an den Kantonen, eine intelligentere Spitalplanung aufzugleisen – nicht am Bund.

image

Ein Reha-Netzwerk in der Nordwestschweiz

Das Universitätsspital Basel und acht Reha-Organisationen aus vier Kantonen wollen gemeinsam die Behandlungspfade optimieren.

image
Gastbeitrag von Felix Huber und Guido Klaus

Koordinierte Versorgung braucht Anreize – keine neue Regulierung

Hausarztmodelle sind oft ein Rettungsanker für chronisch Kranke. Wenn wir nicht aufpassen, würgt das Spar-Massnahmenpaket des Bundes hier viele Chancen ab.

image

Sagen Sie es uns: Welches Spital soll geschlossen werden?

Regelmässig hört man, die Schweiz solle auf Spitäler verzichten. Also gut: Werden wir konkret. Welche Häuser sollen weg? Medinside sucht die Namen.

image

CHUV: Die Zahlen sind rot – aber immerhin nicht röter

Beim Lausanner Universitätsspital soll eine Taskforce nun helfen, das finanzielle Gleichgewicht wieder zu erlangen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.