Sensormolekül hilft, Tumore sichtbar zu machen

Forscher der ETH Zürich haben ein Molekül entwickelt, das mit Kollagen wechselwirkt und mit dem erkennt werden kann, wo sich im Körper Gewebe neu bildet.

, 5. August 2021 um 13:00
image
  • forschung
  • eth
Es ist ein wichtiges Eiweiss, das der Haut Spannkraft verleiht. Deshalb wird es in der Kosmetik häufig zur Faltenreduzierung eingesetzt: Die Rede ist von Kollagen, das am häufigsten vorkommende Protein in unserem Körper. Kollagene machen rund 30 Prozent des gesamten Proteingehaltes aus. Haut, Sehnen, Knorpel, Knochen und Bindegewebe bestehen daraus.

Welche Rolle spielt das Enzym LOX?

Kollagenfasern werden beispielsweise während der Wundheilung, aber auch beim Wachstum von Tumoren verstärkt neu gebildet. Was passiert genau? Während der Neubildung vernetzen sich die fadenförmigen Kollagenmoleküle zu stabilen Fasern. Bei diesem Vorgang spielen Lipoxygenasen, kurz LOX, eine bedeutende Rolle. Das Enzym oxidiert bestimmte Stellen in den Kollagenmolekülen. Diese chemisch veränderten Stellen gehen erneut chemische Reaktionen auf anderen Kollagensträngen ein und verbinden sich schliesslich mit diesen.

Sensormolekül macht Gewebeneubildung sichtbar

Unter der Leitung von Helma Wennemers, Professorin am Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich, haben Forscher ein Sensormolekül entwickelt, das zu fluoreszieren beginnt, sobald es mit dem Enzym LOX reagiert hat. Das bedeutet: Das Sensormolekül ist ein Marker für LOX-Aktivität.
Die Wissenschaftler verknüpften das Marker-Molekül anschliessend mit einem kurzen fadenförmigen Peptid, welches Kollagen ähnlich ist. Das Peptid haben sie mit einer sogenannten reaktiven Gruppe ausgestattet – diese reagiert ausschliesslich mit oxidiertem Kollagen.
Versuche an Mäusen sowie In-vitro-Experimente mit Gewebeschnitten zeigten: Das Sensormolekül lagert sich dort in Kollagenfasern ein, wo sich gerade neues Gewebe bildet. Wenn die Neubildung von Gewebe in Gang gebracht und dabei das Enzym LOX gebildet wird, fluoaresziert das Molekül.

Anwendungsbereiche

Das Marker-Molekül kann verwendet werden, um etwa bei Untersuchungen von Biopsien die Ränder des Tumors sichtbar zu machen. Denn beim Wachstum von Tumoren wird neues Gewebe vor allem an den Tumorrändern gebildet. ETH-Professorin Wennemers sagt: «Eine unserer Visionen ist, dass Chirurginnen und Chirurgen dieses Molekül dereinst direkt auf dem Operationstisch während der Entfernung eines Tumors verwenden können.»
Weitere mögliche Anwendungen des Marker-Moleküls betreffen die Wundheilung, etwa die Erforschung der Gewebebildung grundsätzlich oder von Heilungsstörungen bei Diabetes und anderen Krankheiten.
Die Forscher haben für ihr System mit dem modularen Aufbau und den drei Komponenten – Sensor, Peptid und reaktive Gruppe – ein Patent eingereicht. Derzeit untersuchen sie, wie es zur Marktreife gebracht respektive für zusätzliche Anwendungen weiterentwickelt werden kann.
Die Forschungsarbeit ist nun erstmals in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Im vergangenen Jahr erhielten die Wissenschaftler den Spark Award der ETH Zürich. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ostschweizer Kispi und HSG: Gemeinsames Diabetes-Forschungsprojekt

Untersucht wird, wie sich Blutzuckerschwankungen auf die Nervengesundheit bei Kindern mit Diabetes Typ 1 auswirken - und welche Rolle Lebensstilfaktoren spielen.

image

Das «Time Magazine» ehrt noch einen Schweizer

Fidel Strub verlor seine rechte Gesichtshälfte an die Tropenkrankheit Noma. Seit Jahren kämpft er für deren Erforschung.

image

Insel-Chirurg mit dem Håkan Ahlman Award ausgezeichnet

Cédric Nesti wurde von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren für eine Publikation über die Gefährlichkeit von Lymphknotenmetastasen.

image

Neues Prognosemodell weist auf Risiko für Opioidabhängigkeit hin

Unter der Leitung von Maria Wertli (KSB) und Ulrike Held (USZ) haben Forschende der ETH Zürich und der Helsana ein Modell zur Risikoeinschätzung einer Opioidabhängigkeit entwickelt.

image

Hirntumor-Risiko für Kinder: Entwarnung

Schuld könnten die kleinen Fallzahlen sein: Dass Kinder im Berner Seeland und im Zürcher Weinland mehr Hirntumore haben, ist wohl das Zufalls-Ergebnis einer Studie.

image

Seltene Krankheiten: «Oft spürt die Mutter, dass etwas nicht in Ordnung ist»

Wird dereinst das gesamte Genom des Neugeborenen routinemässig auf Krankheiten untersucht? In manchen Ländern wird das schon getestet, sagt Stoffwechselspezialist Matthias Baumgartner.

Vom gleichen Autor

image

«Ich brauchte nach der Pause mindestens drei Jahre»

Daniela Fürer arbeitete rund eineinhalb Jahre als Intensivpflegefachfrau, dann wurde sie Mutter und machte eine lange Pause – bis zum Wiedereinstieg.

image

Quereinstieg Pflege: Hunger auf beruflichen Neubeginn

Der Rucksack von Annette Gallmann und Peter Kienzle ist gefüllt mit allerhand Arbeits- und Lebenserfahrung. Die 47-jährige Gastronomin und der 52-jährige Art Director machen die Ausbildung HF Pflege.

image

Hat das Stethoskop auf Arztfotos seine Berechtigung?

Ärztinnen und Ärzte werden fast immer mit einem Stethoskop um den Hals abgelichtet. Braucht’s das? Und: Ist das medizinische Diagnoseinstrument überhaupt noch zeitgemäss?