Eine Frau mit Jahrgang 1988 entschied sich zu einer Geschlechtsumwandlung. Für die Kosten der Hyster- und Adnexektomie sowie einer beidseitigen Mastektomie kam die Swica Krankenversicherung auf. Die Kostenübernahme für die OP für die Phalloplastik (Penisaufbau) lehnte der Versicherer aber ab.
Der Grund: Diese OP wurde nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland durchgeführt. Für diesen Eingriff in einer spezialisierten Klinik entschied sich die Frau, weil es in der Schweiz zu wenig Fälle gab: Zwischen 2009 und 2016 wurden durchschnittlich 5,5 solche Operationen pro Jahr durchgeführt, etwa am USB oder am CHUV.
Geht nicht um die gesamtschweizerische Planung
Im zum inzwischen Rechtsstreit geführten Fall hält das Bundesgericht den erwähnten Durchschnittswert für «äusserst tief». Anderseits gelte in der Schweiz das Territorialitätsprinzip. Ausnahmen seien nur mit grosser Zurückhaltung zuzulassen, so die Bundesrichter. «Wird die Schwelle für die Kostenübernahme einer Auslandsbehandlung zu tief angesetzt, nimmt die Abwanderung von Patienten ins Ausland zu.»
Das Gericht hält aber auch gleichzeitig fest: «Im vorliegenden Zusammenhang geht es weder um die gesamtschweizerische Planung noch um die (weitere) Konzentration der Phalloplastik» auf einzelne Spitäler oder ein einzelnes Zentrum. Und weiter: Solange es für diesen Leistungsbereich an evidenzbasierten Studien mangle, verbiete es sich jedenfalls, eine abstrakt festgelegte Mindestfallzahl zum Massstab zu nehmen.
Richter kritisieren Bundesamt für Gesundheit
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von Swica teilweise gut, kommt aber zu keinem abschliessenden Entscheid. Kurz: Die oberste Instanz hebt alle vorherigen Urteile auf und weist den Fall zurück an den Krankenversicherer. Die vorliegenden Akten lassen laut den Richtern keine abschliessende Beurteilung zu.
Swica soll die bisher unterbliebenen Abklärungen nachholen, sich beim neuen Entscheid an den hierzulande erzielten Operationsresultaten orientieren – und allenfalls auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einbeziehen. Die Richter kritisieren: «Es ist denn auch unverständlich, dass sich das Bundesamt im vorliegenden Verfahren mit keinem Wort vernehmen liess.»
9C_264/2018, Urteil vom 8. Mai 2019.