Herr Habegger, Sie sagen, Qualitätsmessungen in Spitälern und Arztpraxen seien kostendämpfend. Das müssen Sie mir erklären.Nichts ist so teuer wie überflüssige und schlechte Leistungen. Bei guter Qualität gibt es weniger Nachbesserungen, weniger Infektionen und der Spreu wird vom Weizen getrennt. Qualitätsmessungen müssen transparent gemacht werden. Wir haben zwar einen Markt, aber keine Transparenz. Ein Markt ohne Transparenz kann nicht funktionieren.
Und warum soll Transparenz kostendämpfend wirken?Weil dadurch schlechte Leistungen zunehmend vom Markt verschwinden werden. Besonders im ambulanten Bereich weiss der Patient heute nicht, ob das Spital oder der Arzt X qualitativ gut arbeitet. In der Schweiz gehen Ärzte kaum einmal ein Risiko ein, wenn sie Fehler machen. Im Gegenteil: Bei Nachbehandlungen verdienen sie zusätzlich Geld. Das gilt so nicht bei pauschalen Abgeltungen.
«Die Ärzte riskieren kaum etwas, wenn sie unnötige oder schlechte Arbeit leisten.»
Kein Arzt pfuscht absichtlich, nur um mit Nachbehandlungen zusätzliche Honorare zu generieren.Das stimmt, aber gut gemeint, genügt nicht. Warum werden sich Flugzeugpiloten nie dagegen sträuben, an ihrer Qualität zu feilen? Weil sei bei einem Absturz selber auch abstürzen. Die Ärzte hingegen riskieren kaum etwas, wenn sie unnötige oder schlechte Arbeit leisten. Arzt und Patient sind keine Schicksalsgemeinschaft, Pilot und Passagier dagegen schon.
Die Ärztevereinigungen setzen vor allem auf Aus- und Weiterbildung. Das ist auch eine Form von Qualitätssicherung.Die Ausbildung insgesamt ist wichtig, muss aber noch nichts über das Resultat von Behandlungen aussagen. Für die Patienten sind die Ergebnisse entscheidend. Sie gehen nicht zum Arzt, weil der lange studiert hat, sondern weil sie möglichst rasch gesund werden wollen.
Gemäss Christoph Bosshard, Vizepräsident der FMH, belegen internationale Vergleichsstudien, dass die Ärzteschaft in der Schweiz tagtäglich höchste Qualität liefere. In jedem Land sagen die Ärzte, sie seien die besten. Mit Resultaten belegen können sie das aber jeweils nicht. Sagt Ihnen der Fall Meyer-Fürst etwas? Seine schlechten Resultate wurden in diversen Medien publiziert. Passiert ist über Jahre nichts. Er hat dann von sich aus auf die Berufsausübungsbewilligung verzichtet. Das aber erst mit 78 Jahren.
Was lehrt uns dieser Fall?Dass es mit Aus- und Weiterbildungen nicht getan ist. Es braucht Qualitätsmessungen, welche standardmässig transparent gemacht werden müssen. Erst dann haben die Patienten eine echte Wahl und können mit den Füssen entscheiden.
Das KVG verlangt das seit über 20 Jahren. Derzeit befasst sich auch die Gesundheitskommission des Nationalrats mit diesem Thema. Was wird dabei herauskommen?Letzte Woche haben Anhörungen stattgefunden. Ich denke, die Gesundheitskommission wird sich nach der Sommersession damit befassen und einen Vorschlag unterbreiten.
Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze: Top-down: Der Bundesrat übernimmt das Steuer. Bottom-up: Die Akteure organisieren sich selber. Santésuisse plädiert für diesen zweiten Ansatz.Richtig.
«Der Gesetzgeber hat es verpasst, Sanktionen zu definieren. Dieses Versäumnis hat die Kommission des Nationalrats jetzt nachgeholt.»
Dumm nur, dass das nichts bringt. Die Akteure haben das seit 20 Jahren geltende Gesetz nicht und nur in gewissen Bereichen umgesetzt.Weil es der Gesetzgeber verpasst hat, Sanktionen zu definieren. Dieses Versäumnis hat die Kommission des Nationalrats jetzt nachgeholt.
Oder weil es am Willen des Bundesrats fehlte. Er hätte auf Verordnungsstufe verlangen können, dass die Tarifverträge auch Vorgaben über Qualitätsmassnahmen enthalten müssen. Ansonsten würden sie nicht angenommen.Eventuell hätte der Bundesrat eingreifen können als absehbar wurde, dass die Leistungserbringer nur auf Zeit spielten. Für die fehlende Qualitätsarbeit müssen aber sie geradestehen. Das ist fachlich ihr Job.
Wie sollen denn die Sanktionsmöglichkeiten in Zukunft konkret aussehen?Spitäler und Ärzte, die sich im Grundsatz weigern, die Behandlungsresultate auszuweisen, müssen mit tariflichen Abzügen rechnen. Damit kann erstmals sichergestellt werden, dass schwarze Schafe finanziell nicht mehr gleich behandelt werden wie Leistungserbringer mit optimaler Qualität. Tarifliche Abzüge aufgrund von klaren Kriterien sind das Mittel, die Qualitätsarbeit anzukurbeln. Davon werden alle profitieren.