Wie ist das Vorgehen der Finma einzustufen? Die Versicherungsaufsicht bezweckt den Schutz der Versicherten vor Missbräuchen durch den Versicherer. Das umfasst auch den Schutz der Versicherten vor missbräuchlich hohen Prämien. Die Finma ist der Ansicht, die Versicherer vergüten den Spitälern zu hohe Preise und verlangen von ihren Versicherten damit eine missbräuchlich hohe Prämie. Sie wirft den Versicherern nicht vor, sie könnten die Prämien versicherungstechnisch nicht begründen, sondern stört sich an der Höhe der Prämien - welche sie notabene selber genehmigt.
Die Gestaltung der Versicherungsprodukte - welche ebenfalls von der Finma genehmigt werden – gibt den Verhaltensspielraum der Spitäler und Versicherer bei der Preisfindung vor. Je umfassender das Leistungsversprechen der Versicherungsprodukte gegenüber den Versicherten ist, desto besser ist die Verhandlungsposition der Leistungserbringer, weil diese die Preise bei Scheitern der Verhandlung praktisch diktieren können. Die Spitäler rechnen ihre Leistungen dann direkt mit den Versicherten ab, welche die Rechnung dann ihrerseits an die Versicherung weiterreichen.
Die Versicherer haben es in also der Hand, mit dem Leistungsversprechen den Rahmen für die von ihnen bezahlten Preise und Leistungen zu setzen. Sie können auch darüber bestimmen, welche Spitäler überhaupt berücksichtigt werden sollen. Viele Versicherer haben heute schon die Möglichkeit, Höchsttarife festsetzen und die Wahl des Spitals durch Versicherte einzuschränken. Die Finma stört sich also an einem Ergebnis, das sich aus den von ihr genehmigten Grundlagen ergibt. Mit ihren Forderungen greift sie in das Vertragsverhältnis zwischen Versicherer und Spitälern ein.
Die Finma legitimiert ihre Vorgehensweise mit Hinweis auf einen Bundesgerichtsentscheid. Dieser hatte festgehalten, dass auch nach Genehmigung des Geschäftsplanes des Versicherers Missbrauch vorliegen kann. Allerdings hat sich dieser Entscheid auf die Ungleichbehandlung von verschiedenen Versichertenkategorien bezogen und nicht auf die Höhe der Abgeltung von Leistungen. Die Legitimation der Finma, in die Preisgestaltung von Mehrleistungen einzugreifen, bleibt jedenfalls zweifelhaft. Analog müsste sie gleiches im Bereich der Autoversicherung bei der Preisgestaltung für Reparaturen durch Garagisten tun.
Einige Versicherer begrüssen die Interventionen der Finma. Die Aufsichtsbehörde nimmt ihnen die Verantwortung ab, selbst über eine kluge Produktgestaltung Mehrleistungspreise zu beeinflussen. Sie kaschieren damit ihre unzulängliche Produktgestaltung und drücken sich um eine innovative Neugestaltung. Im Windschatten der Finma treten einige momentan einfach als Preisdrücker auf.
Für die Feststellung von Preismissbräuchen bei marktbeherrschenden Spitälern im Privatbereich ist gemäss schweizerischer Wettbewerbsordnung die Wettbewerbskommission zuständig. Nun befasst sich auch die Finma mit Preismissbräuchen. Stellt sich die Frage, ob diese Auslegung ihres Aufgabenbereiches nicht die Kompetenzordnung im schweizerischen Wettbewerbsrecht untergräbt.
Der Auftritt der Finma als Fairpreisorganisation im Spital- wie auch im ärztlichen - Bereich, verursacht den Betroffenen nicht nur viel Aufwand, er ist auch innovationshemmend, erscheint willkürlich und letztlich nicht zielführend. Eine nachhaltige Veränderung der Preisniveaus lässt sich nur über die Anpassung der Versicherungsprodukte korrigieren. Wie weit das ohne Attraktivitätsverlust für die Versicherten möglich ist, wird sich zeigen. Letztlich stellt sich jedenfalls die Frage, weshalb eine Finanzmarktbehörde den Wert von Komfortleistungen und Wahlfreiheiten im Gesundheitswesen besser kennen sollte, als diejenigen, welche sie bezahlen.
Pius Gyger ist selbständiger Gesundheitsökonom