Die amerikanische Cleveland-Clinic eröffnet in London ihren ersten europäischen Ableger. Das Spital soll 184 Betten und acht Operationssäle haben. Die Privatklinik-Gruppe will Wahloperationen und Behandlungen am Herz, Gehirn, an Gelenken und am Verdauungssystem anbieten.
Nur rentable Angebote in London
Das neue Privatspital soll gut situierte Patienten mit Privatversicherung anziehen: Zum Beispiel amerikanische Auswanderer oder Europäer, die wegen des guten Rufs der Klinik extra zu einer Behandlung nach London reisen. Einen Notfalldienst wird die Klinik nicht anbieten, da sich das finanziell nicht lohnt.
Auch andere amerikanische Elite-Kliniken suchen derzeit fieberhaft nach Patienten und Versicherern, welche überhaupt in der Lage sind, ihre teuren Behandlungen zu zahlen. In den USA stagnieren oder sinken die Einnahmen.
Renommierte Klinik wählt ungewöhnlichem Vorgehen
Die Cleveland Clinic ist die renommierteste dieser privaten Kliniken. Sie hat 65 000 Angestellte an 200 Standorten, wo jährlich fast sechs Millionen Patienten behandelt werden.
Das Vorgehen der Cleveland Clinic London ist insofern ungewöhnlich, weil US-Klinikgruppen im Ausland selten ein Spital von Grund auf und ohne einen lokalen Partner aufbauen. So führt die Cleveland Clinic in Abu Dhabi ein 364-Betten-Spital, das aber im Besitz einer Investmentgesellschaft ist.
US-Klinikgruppen zahlen kaum Steuern
Die amerikanische Nachrichtenredaktion KHN (Kaiser Health News) wirft ob dieser ausländischen Streifzüge die Frage auf, warum sich die amerikanischen Non-Profit-Gesundheitsunternehmen - sie zahlen in den USA kaum oder gar keine Steuern - auf solch unverhohlen kommerzielle Unternehmungen einlassen.
«Trotz ihrer Steuerbefreiung sind die gemeinnützige Kliniken genauso aggressiv wie kommerzielle Krankenhäuser, wenn es darum geht, ihre Gesundheitsmärkte zu dominieren und so hohe Preise wie möglich von privaten Versicherern zu verlangen», stellt KHN fest.
CEO erhält 3 Millionen Franken Jahreslohn
Die Cleveland Clinic ist denn auch nicht nur eine der renommiertesten, sondern auch eine der reichsten Spitalketten. Sie erzielte in den ersten drei Monaten dieses Jahres eine Gewinnmarge von 11 Prozent. Ihrem CEO Tomislav Mihaljevic zahlte sie 2019 einen Lohn von 3 Millionen Franken, wie KHN schreibt.
Mit ihrem Londoner Projekt geht die Cleveland Clinic aber finanzielle Risiken ein. Doch auch wenn sie erfolgreich sein sollte: Finanzexperten dämpfen die Erwartung, dass der Betrieb von amerikanischen Spitälern in Europa grossen Einfluss auf die Gesamtrechnung haben könnte. Dafür seien die Spitäler zu klein. Doch es könnte den Spitälern zumindest helfen ihren Namen weltweit bekannt zu machen.
Von britischen Ärzten gelernt
Die Führungskräfte der Spitäler betonen ihrerseits, dass ihre ausländischen Niederlassungen eine zusätzliche Einnahmequelle seien, was auch der Versorgung der Patienten in den USA zugute komme.
Die Spitäler könnten sich durch ihre Expansion in verschiedene Regionen der Welt verbessern, ist Brian Donley, Geschäftsführer der Cleveland Clinic London überzeugt. So werde man beispielsweise von britischen Praxen die effizienteren Methoden zur Sterilisation chirurgischer Instrumente und zur Durchführung von Röntgenaufnahmen übernehmen.
UPMC expandierte nach Palermo
Was die Cleveland Clinic in London vorhat, ist nicht ganz neu. Das Medizinzentrum der Pittsburgh University (UPMC) hat schon 1997 damit begonnen, in Palermo auf Sizilien Organe zu transplantieren. Das auf Transplantationen spezialisierte UPCM ist noch grösser als die Cleveland Clinic. Es hat 90 Angestellte in 40 Spitälern mit 8000 Betten.
Nach Sizilien expandierte das gemeinnützige Unternehmen UPMC, weil die sizilianische Regierung und italienische Versicherer der Meinung waren, dass es billiger sei, die Organtransplantationen vor Ort durchzuführen, statt die Patienten in die USA zu schicken. Seither hat UPMC in Palermo mehr als 2300 Transplantationen durchgeführt.
Irische Spitäler gekauft
UPMC entdeckte nach dieser ersten Expansion das Auslandgeschäft. In Irland besitzt UPMC ein Krebszentrum und bietet in sportmedizinischen Kliniken Hilfe bei Gehirnerschütterungen an. Seit 2018 hat das Unternehmen weitere Spitäler gekauft. Dort sind grösstenteils irische Ärzte tätig. Doch UPMC schickt regelmässig Spezialisten aus den USA nach Irland zur Weiterbildung.
UPMC profitiert von den besseren Bedingungen im Ausland: Die Arbeitskräfte seien billiger, und es gebe mehr Patienten mit Privatversicherungen, die besser bezahlen als staatliche Versicherungen.
Geringer Gewinn im Ausland
Trotzdem trägt das ausländische Spitalgeschäft von UPMC nur rund 90 Millionen Franken - oder gerade einmal ein Prozent - zu den gesamten Einnahmen von UPMC bei. Der eigentliche Gewinn dürfte einiges geringer sein.
Petition gegen die amerikanische Klinik
In London regt sich Widerstand gegen die neue Cleveland Clinic. Über 6000 Personen haben eine Petition gegen das Projekt unterschrieben. Das britische Gesundheitssystem sei von der derzeitigen konservativen Regierung sowieso schon kontinuierlich ausgehöhlt worden. Indem die Regierung der Cleveland Clinic erlaube, im Zentrum Londons ein riesiges Privatspital zu eröffnen, dessen Hauptaugenmerk auf dem Profit liege, würden zunehmend amerikanische Gesundheitsunternehmen in den britischen Gesundheitsdienst eingebunden. Der nationale Gesundheitsdienst solle aber nicht an die Amerikaner oder andere verkauft werden. So der Wortlaut der Petition.