Es war eine Überraschung, und es war doch ein abrupter Schnitt: Im September wurde bekannt, dass Insel-Präsident
Joseph Rohrer zurücktritt und bereits im November durch den Unternehmer Uwe E. Jocham ersetzt wird.
Jetzt äusserte sich der starke Mann hinter diesem Entscheid erstmals zu den Beweggründen: Berns Regierungsrat und Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg gestand in einem
Interview mit der «Berner Zeitung» ein, dass er und Rohrer unterschiedliche Auffassungen hatten darüber, wohin die Insel Gruppe steuern soll.
«Firmen, die medizinische Produkte entwickeln»
Eines dieser strittigen Felder sei die Spitzenmedizin gewesen. Zwar sperrte sich auch Joseph Rohrer nicht dagegen, dass das Inselspital hier eine Vorreiterrolle einnehmen muss – aber offenbar peilte er andere Wege an, um dies zu erreichen. Für Schnegg pflegt das Berner Unispital immer noch zuwenig respektive zuwenig enges Teamwork: «Das Inselspital muss noch enger mit anderen Forschungsinstitutionen oder Gesundheitsdienstleistern kooperieren», so der SVP-Gesundheitsminister. «Dasselbe gilt für Firmen, die medizinische Produkte entwickeln. Natürlich geschieht dies schon heute. Die Insel ist sehr aktiv. Aber wir müssen immer daran arbeiten, morgen noch besser zu sein als heute.»
Bereits in ihrer Erklärung zum Wechsel an der Insel-Spitze hatte die Kantonsregierung verraten, dass das Inselspital
«eine strategische Neuausrichtung» vornehmen solle, «um sich im harten Wettbewerb, insbesondere im Bereich der Spitzenmedizin, zu behaupten.» Nun sagte Schnegg im
BZ-Interview: «In vielen Gebieten ist es sehr gut positioniert, beispielsweise in der Herzchirurgie oder der Neurologie. Aber wenn wir uns nicht verbessern, wird es die Konkurrenz tun. Ich erwarte nicht, dass das Inselspital in allen Fachgebieten die Nummer eins ist.»
Abgrenzung Inselspital–Landspitäler hapert noch
Als konkretes Feld, wo er sich eine stärkere Position «der Insel» vorstellen kann, nannte Schnegg die Altersmedizin – ein Bereich, in dem die Spitalgruppe im Rahmen der Fusion eher an Fachleuten verloren hat und wo Privatkliniken wie Siloah zuletzt stark expandierten.
Als weiteren heiklen Punkt nannte Schnegg, dass die Arbeitsteilung der Insel-Spitäler noch hapert: Grundversorgung in den Landspitälern und im Tiefenau, Spitzenmedizin und komplexe Fälle im Inselspital – dieser Mix wurde noch nicht erreicht, zumal auch die Leitung des Unispitals in Bern ein Interesse hat, die eigenen Fallzahlen hoch zu halten.
«Es ist sicher nicht richtig, die Grundversorgung am Unispital zu vergrössern, nur damit man mehr Patienten generiert», so dazu jetzt der Kommentar von Regierungsrat Schnegg. «Die Ärzte, die Spitaldirektoren oder die Verwaltungsräte sind jedoch auch nur Menschen. Da ist es verständlich, wenn man versucht, einige Fälle mehr zu generieren als die Konkurrenz. Trotzdem glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»