Cholesterinspiegel, Bodymassindex und Rauchen: Auch gesunde Personen ohne Herz-Kreislauferkrankung bekommen bei gewissen Risikofaktoren cholesterinsenkende Medikamente verschrieben. Mit diesen Statinen sollen etwa Herzinfarkte oder Hirnschläge vermieden werden. Dabei existieren gewisse Schwellenwerte für das Risiko, meistens sind das Empfehlungen von kardiologischen Gesellschaften.
Demnach müssten über ein Drittel aller 40- bis 75-Jährigen präventiv Cholesterinsenker einnehmen – weltweit wären dies Hunderte Millionen von Menschen.
Doch laut einer neuen Studie der Universität Zürich (UZH) wurde der Effekt von Nebenwirkungen bei der Erstellung von Richtlinien kaum berücksichtigt: etwa Muskelschmerzen, Grauer Star, Leberschäden oder Diabetes. Hier eine gute Balance zwischen Nutzen und schädlichen Nebenwirkungen zu finden, sei eine grosse Herausforderung.
Modell zum Nutzen und Nebenwirkungen
Letztendlich werde durch die präventive Einnahme nur bei wenigen Personen ein Herzinfarkt oder ein Hirnschlag vermieden,
sagt Milo Puhan, Studienautor und Professor für Epidemiologie und Public Health an der UZH. Aber: Alle Personen könnten potentiell Nebenwirkungen durch Cholesterinsenker erleiden.
Henock G. Yebyo, MSc; Hélène E. Aschmann, MSc; and Milo A. Puhan: «Finding the Balance Between Benefits and Harms When Using Statins for Primary Prevention of Cardiovascular Disease - A Modeling Study», in: «Annals of Internal Medicine» December 3, 2018.Puhan und sein Team vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention haben nun eine statistische Modellierung zum Nutzen und den Nebenwirkungen durchgeführt. Die Forschenden trugen alle Daten aus der gesamten Fachliteratur zusammen oder befragten gesunde Personen, welche Bedeutung Herzinfarkte, Hirnschläge und bestimmte Nebenwirkungen für sie haben.
«Es hat sich gezeigt, dass Statine heute wohl deutlich zu häufig empfohlen werden», fasst der Mediziner und Institutsdirektor Puhan (1975) von der Universität Zürich die Ergebnisse der Studie zusammen.
Zwei Präparate haben eine deutlich bessere Balance
Die Wissenschaftler berechneten auf der Grundlage der Daten zudem gleich neue Schwellenwerte für Männer und Frauen in verschiedenen Altersgruppen zwischen 40 und 75 Jahren. Vor allem bei der Altersgruppe der 70-75-Jährigen Senioren wurde laut der Studie der Nutzen von Statinen bis jetzt anscheinend stark überschätzt.
Durch die vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention neu errechneten Schwellenwerte könnte sich die Zahl der Menschen halbieren, die eine Empfehlung für Statine erhalten, schätzen die Studienautoren.
Die Forschenden stellten zudem fest, dass zwei der vier untersuchten Statin-Präparate, nämlich Atorvastatin und Rosuvastatin, eine deutlich bessere Balance von Nutzen und Schaden aufwiesen, als die beiden anderen (Simvastatin und Pravastatin).