In Deutschland steht eine Spitalreform an: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit einem neuen Gesetz die Zahl der Spitalnächte senken. Im Gegenzug sollen die ambulanten Behandlungen steigen. Künftig sollen Behandlung, bei denen es medizinisch vertretbar ist, ambulant vorgenommen werden, sofern die Patienten dem zustimmen.
Wird so das Pflegepersonal entlastet?
Ziel dieser Reform ist es, das Pflegepersonal zu entlasten. Wie in der Schweiz sind auch die deutschen Spitäler ständig auf der Suche nach genug Pflegepersonal. Lauterbach ist aber überzeugt, dass es nicht zu wenige Pflegekräfte gebe, sondern dass sie «nur ineffizient eingesetzt» würden.
«Total überflüssige» Übernachtungen?
Deutschland habe 50 Prozent mehr Spitalbetten als andere Länder in der Europäischen Union, erklärte Lauterbach. Im Vergleich zu anderen Ländern würden deutsche Spitäler auch 50 Prozent häufiger stationär behandeln als Spitäler anderer Länder. Dies, obwohl viele Spitalübernachtungen «medizinisch total überflüssig» seien und – im Hinblick auf Spitalinfektionen – sogar «prekär» seien.
400 Euro pro ambulanten Notfall
Deutschland hat derzeit allerdings eine Spitalfinanzierung, die kaum ambulante Behandlungen zulässt. Viele Fallpauschalen gelten nur für Behandlungen, bei welchen die Patienten mindestens eine Nacht im Spital verbringen. Nun soll es neue Tarife geben für ambulante Behandlungen im Spital. Ausserdem sollen die Spitäler für jeden ambulanten Notfall eine Pauschale von 400 Euro erhalten.
Krankenkassen fürchten viel mehr Fallzahlen
Die Ärzte in Deutschland sind skeptisch, es sei kein grosser Wurf, kritisieren sie. Auch die Krankenkassen sind gegen die Pläne. Sie befürchten, dass die Spitäler künftig mehr verrechnen können, weil sie für sämtliche ambulanten Behandlungen eine Spital-Fallpauschale verrechnen können, statt der tieferen ärztlichen Gebührentarife. Es könnte zu einer unkontrollierbaren Ausweitung der Fallzahlen in den Spitälern kommen, so die Befürchtung der Kassen.
Spitaler sind erfreut über Reform
Die Krankenkassen fordern deshalb, dass zuerst die ganze Finanzierung ändern müsse und die Versicherten von den Einsparungen profitieren könnten. Ansonsten würden die Spitäler mehr einnehmen, ohne dass die Versicherten dafür einen Mehrwert bekämen.
Flexiblere Behandlungsabläufe
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist hingegen erfreut über die Pläne Lauterbachs und loben sie. Wenn die Spitäler künftig stationäre Behandlungen auch ambulant erbringen könnten, wären die Spitäler viel flexibler bei den Behandlungsabläufen, hofft die DKG.
Die Spitäler versichern, dass sie die Fallzahlen nicht ausweiten würden, sondern für ambulante Behandlungen die gleichen Massstäbe der medizinischen Notwendigkeit anlegen würden, wie für die bisher stationär versorgten Patienten.
In der Schweiz: Fixe Vorgaben
In der Schweiz wurde die Diskussion um ambulant vor stationär bereits vor einigen Jahren geführt – mit dem Resultat, dass hierzulande weder die Spitäler noch die Patienten frei entscheiden können, ob sie einen Eingriff ambulant oder stationär vornehmen. 2019 hat der Bund vorerst einmal sechs Gruppen von Eingriffen festgelegt, die nur noch ambulant vergütet werden – ausser es lägen besondere Umstände vor, die eine stationäre Durchführung erfordern.
Kantone profitieren
Von dieser Regelung profitieren in der Schweiz vor allem die Kantone. Denn sie zahlen für stationäre Spitalbehandlungen einen Anteil von bis zu 55 Prozent, für ambulante Behandlungen hingegen nichts. Deshalb haben auch bereits mehrere Kantone zusätzliche Eingriffe bezeichnet, bei denen sie ihren Finanzierungsanteil für die stationäre Durchführung nur gewähren, wenn besondere Umstände vorliegen.