Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen

Besonders enttäuschend erscheinen dabei die Wirkstoffe, die in Europa nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen wurden.

, 1. März 2024 um 00:17
image
Viele Misserfolge, einzelne Glücksmomente: Krebsforschung – hier ein Labor in Grossbritannien  |  Bild: Cancer Research Horizons uK
Dass neue Krebsmedikamente in der Regel nur kleinste Fortschritte bringen, ist bekannt. Aber was bedeutet das konkret? Ein Pharmakologen-Team der Universität Utrecht sowie des National Health Care Institute der Niederlande ging dieser Frage wieder einmal nach. Und zwar anhand der Krebs-Medikamente, die zwischen 1995 und 2020 von der EU-Behörde EMA zugelassen worden waren.
Das Ergebnis war – erwartungsgemäss – nicht berauschend.
Konkret nahmen die Forscher um Lourens Bloem 131 Medikamente respektive Wirkstoffe mit insgesamt 166 Indikationen. Danach suchten sie Beurteilungen und Ratings, die durch insgesamt sieben Organisationen zu diesen Medikamenten publiziert worden waren; zum Beispiel von Medizinfolgen-Agenturen aus vier Ländern, von Onkologen-Gesellschaften oder von einer Fachzeitschrift. Erfasst wurden dabei verschiedene Arten von klinischen Nutzen, so dass am Ende insgesamt 458 (potentielle) Vorteile mit den 131 erfassten Mitteln erzielt werden könnten; zumindest theoretisch.
  • Francine Brinkhuis, Wim G. Goettsch, Aukje K. Mantel-Teeuwisse, Lourens T. Bloem, «Added benefit and revenues of oncology drugs approved by the European Medicines Agency between 1995 and 2020: retrospective cohort study», in: «British Medical Journal», TheBMJ, Februar 2024.
  • doi.org/10.1136/bmj-2023-077391
Die Beurteilungen aus diesen Quellen wandelten die niederländischen Wissenschaftler dann in ein eigenes Ranking um, das den Nutzen kategorisierte: negativ oder nicht messbar; gering; substanziell; gross.
Am Ende wurden 41 Prozent der indizierten Benefits als negativ oder nicht messbar kategorisiert (189). Bei 23 Prozent erschien der Nutzen als gering (aber vorhanden). Als stark («major benefit») erschien das Resultat in 59 Fällen.
Besonders ungünstig war das Verhältnis allerdings bei jenen Medikamenten, die im beschleunigten Verfahren durch die EMA bewilligt wurden: Hier gab es besonders viele Produkte ohne Benefit. Was ahnen lässt, dass die Hoffnung in diesen Fällen besonders oft enttäuscht wird.

Je nützlicher, desto rentabler

Die Forscher gingen aber noch einen Schritt weiter – sie verfolgten nämlich auch die Frage, wie lange die Medikamente nach der EMA-Bewilligung benötigten, um die Forschungs- und Entwicklungs-Kosten wieder einzuspielen. Als Benchmark nahmen sie dabei einfach jene Kosten, die in der Onkologie-Entwicklung üblicherweise aufgewendet werden müssen. Dazu durchforschten sie sowohl Finanzanalysten- als auch Geschäftsberichte der Hersteller.
Heraus kam, dass die erfassten (EMA-bewilligten) Produkte nach zwei Jahren die minimalen F&E-Kosten für solch ein Medikament – 166 Millionen Dollar – eingespielt hatten. Die durchschnittlichen F&E-Kosten von 684 Millionen Dollar waren nach drei Jahren eingenommen; und die maximalen Kosten von 2,06 MIlliarden Dollar hatten diese Medikamente nach fünf Jahren als Einnahmen erlangt (jeweils Median-Werte).
Bemerkenswert war dabei insbesondere, dass die Medikamente, die im Ranking der Forscher einen «major benefit» hatten, auch überdurchschnittlich schnell wieder Einnahmen einspielten. Mit anderen Worten: Was nützt, ist auch rentabler.
  • Onkologie
  • medikamente
  • pharma
  • Krebs
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Medikamente erstmals grösster Kostenblock in der Grundversicherung

Erstmals liegen die Ausgaben über 9 Milliarden Franken. Mehrere Faktoren spielen hinein: teure Neueinführungen, Mengenausweitung, zusätzliche Indikationen, höherer Pro-Kopf-Verbrauch.

image

Antibiotika in der Schweiz: Rückgang mit Ausnahmen

Von 2015 bis 2022 sank der Antibiotikaverbrauch in der ambulanten Versorgung deutlich. Doch nicht alle Fachrichtungen zeigen den gleichen Trend.

image

Bürokratie-Fiasko beim Zugang zu Medikamenten

Eine internationale Studie zeigt: Bürokratie ist in der Schweizer Gesundheitsversorgung ein grosses Problem. Gleichzeitig erschweren veraltete Prozesse den Zugang zu innovativen Medikamenten. Lösungen lägen auf dem Tisch – doch die Politik droht, die Situation noch zu verschlimmern.

image

EU gibt Novartis grünes Licht für Kisquali gegen Brustkrebs im Frühstadium

Der Wirkstoff Ribociclib soll insbesondere Patientinnen helfen, bei denen das Risiko besteht, dass sie einen Rückfall erleiden.

image

Antibiotika-Therapie: In Praxen und Kliniken immer noch suboptimal

In Baden-Württemberg erforschte man den Antibiotika-Einsatz in zehn Spitälern. Heraus kam ein halbes Dutzend heikler Punkte.

image

J&J im Zeichen der Männergesundheit

Inselspital, USZ, CHUV, LUKS, Hirslanden, KSGR: Johnson & Johnson startet die «Prostate Tour de Suisse» in sieben Schweizer Spitälern.

Vom gleichen Autor

image

Notfallpauschalen: FMH und Prio.Swiss haben eine Lösung

Einerseits sollen angestellte Ärztinnen und Ärzte die Zuschläge ebenfalls erhalten. Andererseits fahnden die Krankenkassen nach Fällen, wo aus den Inkonvenienzpauschalen ein Business gemacht wird.

image

Zürich: Kein Teuerungsausgleich in den kantonalen Spitälern

Seit 2023 wuchsen die Lohnsummen bei KSW, PUK, IPW und USZ deutlich schwächer als in der übrigen Kantonsverwaltung.

image

USB: Daniel Staub wird Chief Medical Officer

Der heutige Chefarzt der Klinik für Angiologie folgt im Juli 2025 auf Jürg Steiger.