Man hört es allenthalben: Die Krankenkassenprämien steigen auch deshalb, weil immer mehr Leistungen über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abgegolten werden. Aber stimmt das überhaupt? Wie beziffern sich diese zusätzlich vergüteten Leistungen?
So verlangt also der Nationalrat vom Bundesrat, in einem Bericht die finanziellen Folgen des stetigen Ausbaus des Leistungskatalogs in der Grundversicherung seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes KVG aufzuzeigen.
Zudem soll der Bundesrat überprüfen, welche Leistungen des KVG an die Zusatzversicherungen ausgelagert werden können, ohne die Grundversorgung der Bevölkerung zu gefährden.
128 Ja zu 60 Nein
Das entsprechende
Postulat der ehemaligen SVP-Nationalrätin Verena Herzog hat der Nationalrat in der zurückliegenden Woche mit 128 zu 60 Stimmen angenommen. Doch interessant sind in diesem Zusammenhang die Gründe, weshalb der Bundesrat das Postulat zur Ablehnung empfohlen hatte.
Zuerst einmal redet er in seiner Stellungnahme vom Februar 2023 am Thema vorbei und erklärt, dass die OKP die Kosten für medizinische Leistungen übernimmt, die wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind, der sogenannten WZW-Kriterien, wobei der grösste Teil der Gesundheitskosten die ärztlichen Leistungen darstellten.
Vertrauen zuerst
«Für diese existiert kein abschliessender Leistungskatalog, sondern es gilt das Vertrauensprinzip, wonach vermutet wird, dass Ärztinnen und Ärzte Leistungen erbringen, die den WZW-Kriterien entsprechen», schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme.
Dann zählt er auf, was alles unternommen wird, um die Einhaltung der WZW-Kriterien zu überprüfen, so zum Beispiel das Health Technology Assessment (HTA).
Ausserdem schreibt der Bundesrat, dass die medizinisch-technologische Entwicklung dazu führe, dass laufend neue Leistungen entwickelt und eingeführt sowie bisherige Leistungen abgelöst oder nur noch bei sehr eingeschränkten Indikationen angewendet würden. Und schliesslich erläutert er die wesentlichen Gründe für die Kostenzunahme und erklärt, was alles zur Dämpfung des Kostenwachstums unternommen werde.
Keine Antwort aufs Kernanliegen
Doch auf das Kernanliegen des Postulats geht der Bundesrat in seiner Stellungnahme nicht ein. Das tut auch Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider in der
Ratsdebatte nicht.
Deshalb nochmals: Was sind die finanziellen Folgen des Leistungsausbaus in der Grundversicherung? Und stimmt das mit dem Leistungsausbau überhaupt, oder sind das nur politisch motivierte Behauptungen der entsprechenden Interessenvertreter?
Kein Verständnis
SVP-Nationalrat Vroni Thmalmann-Bieri zeigt deshalb in der Debatte keinerlei Verständnis für die ablehnende Haltung des Bundesrats: «Endlich könnte er aufzeigen, was die Ursachen und Folgen sind, aber er weigert sich.» In seiner Antwort werde keine einzige Zahl genannt, moniert die Sozialvorsteherin der Luzerner Gemeinde Flühli. «Hat der Bundesrat Angst, dass Fakten hervorkommen könnten, die eine grosse Veränderung verursachen könnten?»
Kein Verständnis für die ablehnende Haltung des Bundesrats hat - wie gesagt - auch die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat. Sie stimmt dem Postulat zu.