Personalsuche Italien: «Wie sind die Reaktionen aus der Branche, Herr Blasi?»

Das Kantonsspital Aarau will Pflegefachpersonen in Rom rekrutieren. Fabio Blasi, Leiter Personalgewinnung, spricht über den Fachkräftemangel und das Projekt.

, 8. November 2022 um 09:55
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Fabio Blasi ist der Leiter Sourcing & Employer Branding, Personalgewinnung und Personalmarketing beim Kantonsspital Aarau (KSA) und verantwortlich für dieses Projekt. | zvg
Herr Blasi, dass Sie mit einem fünfköpfigen Team Ende November nach Italien reisen, um Pflegepersonal zu rekrutieren, hat grosses mediales Interesse geweckt. Wie waren die Reaktionen in der Branche bisher?
Die Reaktionen in der Branche waren mehrheitlich positiv. Wir haben mehrere Anfragen von Spitälern, Pflegezentren und von Personaldienstleistern erhalten, die mehr über das Projekt erfahren wollen.
Und intern?
Wir arbeiten bei diesem Projekt eng mit unserer Pflege zusammen und bereiten uns gemeinsam seit mehreren Monaten darauf vor. Intern gab es sowohl positive als auch kritische Rückmeldungen. Dass kritische Fragen auftauchen können, wenn man das Projekt nicht kennt, ist nachvollziehbar. Diese haben wir uns zu Beginn schliesslich auch gestellt.
Können Sie ein Beispiel machen?
In Einzelfällen wurde bedauert, dass das fehlende Personal nicht auf dem Heimmarkt rekrutiert werden kann.
Das Kantonsspital Aarau (KSA) arbeitet mit Rekrutierungsfirmen in der Schweiz zusammen. Ist diese Quelle ausgeschöpft?
Ja, wir arbeiten mit Rekrutierungsfirmen zusammen. Diese haben aber ähnliche Schwierigkeiten Personal zu rekrutieren, wie wir. Nach ausländischem Fachpersonal Ausschau zu halten, ist eine verbreitete Rekrutierungsquelle in vielen kantonalen als auch ausserkantonalen Spitälern. Mit dem Italien-Projekt und anderen rund zehn Massnahmen wirken wir bestmöglich dem Fachkräftemangel entgegen.
Welche Massnahmen hat die KSA Gruppe bisher umgesetzt?
Dazu gehören höhere Wochenend-, Nacht-, und Feiertagzuschläge, fünf Wochen Ferien auch für Personen unter 40 Jahren oder das Wiedereinstiegsprogramm für Pflegende, mit der steten Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Gleichzeitig wurden verschiedene Projekte gestartet, oder sie sind in Erarbeitung, um die Pflege möglichst von administrativen Arbeiten zu entlasten.
Kritische Stimmen gibt es auch aus der Branche: So schreibt Kuno Betschart, Geschäftsführer SBK Sektion Zürich, Glarus und Schaffhausen, auf Linked-in (Screenshot unten), solche Rekrutierungen seien gemäss WHO ethisch fragwürdig.
In Italien herrscht bei Pflegenden eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir haben uns im Vorfeld mit dem Arbeitsmarkt vertraut gemacht und ihn intensiv analysiert. Viele Spitäler rekrutieren seit Jahrzehnten erfolgreich in Deutschland, Österreich, aber auch in Holland, Spanien und seit Januar 2022 auch in Kroatien und in anderen Ländern.
Neu ist, dass das KSA dieses Jahr persönlich vor Ort sein wird. Zudem begleitet uns in diesem Projekt eine Sprachschule und ein Personaldienstleister. Unter der Berücksichtigung aller dieser Umstände sind wir der Meinung, dass dieses Projekt professionell und fundiert aufgebaut und ethisch vertretbar ist.
Sie schreiben auf Linked-in, das KSA investiere gerne Geld und Zeit in dieses Projekt. Wie viel Zeit hat das KSA investiert und was kostet ein solches Vorhaben?
Betrachtet man das Projekt von der Rekrutierung bis zum Onboardingprogramm, sprich inklusive Unterstützung bei der Wohnungssuche und einem weiteren Deutschtraining, dauert der ganze Prozess insgesamt mehrere Monate.
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Auf dem Flyer ist das neue KSA-Gebäude zu sehen. Ist das nicht eine Täuschung? In Aarau bietet sich ein anderes Bild.
Nein. Wir können die ersten Pflegenden frühestens im Spätsommer oder im Herbst 2023 anstellen. Bis dann ist der Rohbau des Neubaus vollendet. Im Flyer auf Seite zwei gibt es einen Abschnitt, der genau erklärt, dass es sich um einen Neubau handelt, welcher voraussichtlich im Jahr 2025 vollendet sein wird.
Diese ersten Pflegenden sollen die angespannte personelle Situation entschärfen. Weshalb eigentlich Italien und nicht Frankreich, die Niederlanden oder Polen?
Italien bietet gute Voraussetzungen, weil das Pflegediplom in der Schweiz anerkannt wird. Frankreich, Holland oder Polen kämen grundsätzlich auch infrage, sind aktuell jedoch nicht angedacht.
Wer ist noch mit an Bord auf der Reise nach Italien?
Vor Ort wird ein kleines Team aus rund fünf Personen sein. Dieses wird aus der Bereichsleitung Pflege und Vertreterinnen der Pflege sowie des HRs bestehen.
Aktuell will das KSA zehn Pflegefachkräfte in Italien rekrutieren. Sind weitere Castings in anderen Bereichen, oder anderen Städten, geplant?
Aktuell nicht. Die Situation wird nach dem Casting in Rom analysiert und anschliessend werden allfällige Massnahmen geprüft.
Welche drei Hauptkriterien müssen diese italienischen Pflegefachkriterien erfüllen?
Erstens: Der Mensch und seine Motivation stehen für uns im Zentrum. Zweitens: Ein italienisches Pflegediplom – in Italien sind es universitäre Abschlüsse. Drittens: Die Bereitschaft, in die Schweiz leben zu wollen.
Das KSA arbeitet mit einer Sprachschule zusammen, welche Vorkenntnisse sind denn für eine Anstellung nötig?
Die Sprache wird im Rahmen des Rekrutierungsprogramms erlernt und in der Schweiz bei einer erfolgreichen Anstellung vertieft.
Sie machen sich für die Lohntransparenz stark. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einer allfälligen Kritik «billige Arbeitskräfte» anstellen zu wollen, entgegenwirken?
Die KSA Gruppe setzt sich aktiv für Lohntransparenz ein. Dass wir die Lohnbänder offenlegen, wird geschätzt. Dies ist zudem in Italien und Österreich so üblich.
Fabio Blasi ist der Leiter Sourcing & Employer Branding, Personalgewinnung und Personalmarketing beim Kantonsspital Aarau und verantwortlich für dieses Projekt.

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Screenshot Linked-in betreffend die Reaktion von Kuno Betschart, SBK.

Hier geht es zum KSA-Flyer:

  • Pflege Chirurgie.pdf

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