Österreich war der Schweiz voraus: Personen, die mit einem positiven Antikörpertest belegen konnten, dass sie genesen sind und über ausreichend neutralisierende Antikörper verfügen, erhielten das Covid-Zertifikat für maximal drei Monate.
Damit ist seit dem 8. November aber wieder Schluss: Mit Stufe 2 des Corona-Stufenplans fallen die Antikörpertests als 3G-Nachweis für Österreicherinnen und Österreicher weg. Österreichischen Medien zufolge behalten Antikörpertests lediglich in Kombination mit dem Nachweis einer Covid-Impfung ihre Gültigkeit.
«Erkenntnisse haben sich deutlich verdichtet»
Was in Österreich abgeschafft wurde, wird hierzulande in Kürze eingeführt: Ab dem 16. November erhalten Personen mit positivem Antikörperbluttest ein Covid-Zertifikat. Dieses ist drei Monate und nur in der Schweiz gültig. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schreibt auf Anfrage: «Hinsichtlich der Tatsache, dass eine vorhergehende Infektion über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten einen sehr guten Schutz liefert, haben sich die Erkenntnisse deutlich verdichtet.» Daher solle es neu möglich sein, dass ein für 90 Tage gültiges Genesenenzertifikat durch einen Antikörpertest erworben werden kann.
Mit ausschlaggebend für diesen Entscheid waren zwei Veröffentlichungen: der
Influenza- und Covid-19-Bericht der britischen Gesundheitsbehörde «Public Health England» vom 16. September 2021 und eine
Preprint-Studie, in der die natürlichen Sars-CoV-2-Immunität mit der impfstoffinduzierten Immunität verglichen wurde. Die Studienautoren kamen zu folgendem Schluss:
«Die natürliche Immunität bietet einen länger anhaltenden und stärkeren Schutz vor Infektionen, symptomatischen Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten, die durch die Delta-Variante von Sars-CoV-2 verursacht werden, im Vergleich zur BNT162b2-Zweidosen-Impfstoff-induzierten Immunität. Personen, die sowohl zuvor mit Sars-CoV-2 infiziert waren als auch eine Einzeldosis des Impfstoffs erhielten, hatten einen zusätzlichen Schutz gegen die Delta-Variante.»
Studien gibt es so einige, trotzdem war man bislang zögerlich
Forscherinnen der Medizinischen Universität Innsbruck untersuchten Antikörper schon sehr früh, wie aus einem Beitrag des SRF zu entnehmen ist. Die Virologin Janine Kimpel leitete grossangelegte Studien, die nach den Corona-Ausbrüchen in Ischgl durchgeführt wurden. Gegenüber SRF sagte die Virologin: «Wir wissen aus Studien, dass Reinfektionen – also, dass Genesene sich ein zweites Mal infizieren – sehr sehr selten sind. Deswegen kann man davon ausgehen, dass die Antikörper sehr gut und wahrscheinlich auch relativ lange schützen.»
Weshalb gilt in der Schweiz der Nachweis von neutralisierenden Antikörpern erst jetzt als weitere Option, um ein Genesenenzertifikat zu erhalten? Die Generierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen während einer laufenden Pandemie sei, wie die Erfahrung gezeigt habe, ein iterativer Prozess, so das BAG. Solange die Datenlage nicht sicher genug sei, werde tendenziell vorsichtig mit der Schlussfolgerung aus Daten umgegangen – bisher sei in diesem Fall für das Genesenenzertifikat von einem Schutz für sechs Monate ausgegangen worden, wie es auch in der EU bislang der Standard sei. Ebenso seien daher Antikörpertests nicht in die Berücksichtigung für das Zertifikat aufgenommen worden.
BAG legt keine einheitlichen Antikörper-Grenzwerte fest
Da in der Schweiz demnächst diese Möglichkeit besteht, stellt sich unweigerlich die Frage, welche Sars-CoV-2-Antikörper gemessen und beurteilt werden. Das BAG empfiehlt den Laboren entweder die totalen Antikörper oder die Antikörper vom Typ Immunglobulin-G (IgG) zu messen. Zudem wird die Schweizerische Gesellschaft für Mikrobiologie in den nächsten Tagen eine detaillierte Empfehlung für die serologischen Tests auf Sars-CoV-2-Antikörper publizieren. «Diesen Empfehlungen soll gefolgt werden», schreibt das BAG.
Die Verordnung legt also nicht konkret fest, welche Antikörper gemessen werden sollen. Ebenso verhält es sich mit den Antikörper-Grenzwerten – die spezialisierten Labore müssen sich nicht an einheitliche Grenzwerte halten: «Bezüglich eines quantitativen Antikörper-Schutzkorrelats (Antikörper-Titer) gibt es bisher international keine Festlegung, geschweige denn darüber, wie lange ein solcher wirksam sei.» Ein solches Korrelat zu ermitteln, sei Gegenstand aktueller Forschung, so die Antwort des BAG.
Die Antikörpertests würden in von Swissmedic bewilligten Laboren durchgeführt. Diese gewährleisteten eine «sehr gute» diagnostische Qualität der von ihnen durchgeführten Analysen, betont das BAG. Auch hier sollten die Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Mikrobiologie befolgt werden.
Was ist mit der T-Zell-Immunität?
Sowohl im In- als auch im Ausland weisen Ärzte daraufhin, dass bei Personen mit durchgemachter Corona-Erkrankung in einigen Fällen kaum Antikörper nachweisbar seien – hier spiele die T-Zell-Immunität eine wichtige Rolle. Forschungsergebnisse zeigen, dass bei Menschen, die keine Antikörper entwickeln, die Immunabwehr gegen das Virus vorrangig über T-Zellen (T-Lymphozyten) erfolgt. Das BAG schreibt dazu: «Der Nachweis von T-Zellen ist ein sehr aufwändiges Verfahren, das nur in einer begrenzenten Kapazität von den spezialisierten Laboren durchgeführt werden kann.»
T-Zellen können in zwei grosse Untergruppen – CD4-T-Zellen und CD8-T-Zellen – unterteilt werden. Wie das BAG auf Anfrage mitteilt, wird die Bedeutung dieser Zellen, die ein Memory Immune Response gegen das Virus entwickelt haben, derzeit untersucht.
Ein erheblicher Anteil dieser Zellen würde einen lokalen Phänotyp entwickeln und verbleibe dann im Gewebe. Deshalb sei es ohne invasiven Eingriff schwierig, diese Zellen zu charakterisieren und ihre Rolle während einer zweiten Infektion zu definieren.