«Die Pflege kann sich bei uns auf ihre Kernaufgaben konzentrieren»

Bei der ANQ-Erhebung der Patienten-Zufriedenheit erreichte das Spital Frutigen zweimal den Spitzenwert. Warum? Wie macht man seine Patienten besonders zufrieden? Antworten von Spitaldirektor Urs Gehrig und Qualitätsmanagerin Stephanie Müller.

, 7. Dezember 2015 um 08:30
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Herr Gehrig, Frau Müller, machen Sie etwas anders als andere Spitäler? Wie schafft man in einem Spital die höchste Patientenzufriedenheit?
Urs Gehrig: Bei uns steht die Kommunikation stark im Vordergrund – die Information der Patienten. Darin haben wir in den letzten Jahren grosse Schritte gemacht. Wir verstehen uns nicht nur als Pflegeinstitution, sondern auch als Hotel. Wir betrachten die Patienten als Gäste, auch die Ärzte oder das Pflegepersonal. 
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Urs Gehrig ist Vorsitzender Geschäftsleitung der Spitäler fmi AG. Stephanie Müller ist die Qualitäts- und Risk-Managerin der fmi-Spitäler
Damit bestätigen Sie indirekt, dass bei den Zufriedenheits-Umfragen die medizinische Qualität zweitrangig ist – sondern dass Aspekte wie Service und gutes Essen wichtiger sind.
Nein, es geht um mehr. Bei der Kommunikation haben wir einen grossen Vorteil: Wir haben fast kein ausländisches Personal. Das ist eine völlig andere Situation als in den Städten. Das Personal, das bei uns angestellt ist, kann Schweizerdeutsch oder spricht Hochdeutsch. Ärzte und Pflege können sich also gegenüber den Patienten immer gut ausdrücken. Das ist natürlich ein Vorteil.
Sie haben im Berner Oberland wohl noch einen weiteren Vorteil: Man kennt sich. Die Patienten kennen das Personal teils persönlich – da gibt man auf den ANQ-Umfragezetteln sicher bessere Noten.
Stephanie Müller: Die Verbundenheit ist grösser in einem ländlichen Spital.
Urs Gehrig: In der Stadt geht man in ein Spital – hier geht man ins «eigene» Spital. Es wird als «unser Spital» empfunden, als «mein Spital».
Bei der im November 2015 veröffentlichten Zufriedenheits-Umfrage des Qualitätsvereins ANQ erhielt das Spital Frutigen durchwegs Spitzennoten. So holte es bei der Frage: «Würden Sie für dieselbe Behandlung wieder in dieses Spital kommen?» 9,86 von 10 möglichen Punkten. 
Das Spital Frutigen wurde bereits in den Vorjahren gut benotet, es lag meistens in den oberen fünf Prozent. Jetzt gab es nochmals einen Sprung. Haben Sie spezifisch noch etwas verändert?
Rational lässt sich diese weitere Verbesserung nicht erklären. Allerdings: Wir haben im letzten Jahr die EFQM-Auszeichnung Recognised for Excellence mit 4 Sternen erreicht, und solch eine Auszeichnung muss man auch erarbeiten. Dies wiederum dürfte das Personal sensibilisiert haben. So etwas mag ein Faktor gewesen sein.
Haben Sie sonst in den letzten Jahren neue, besondere Qualitätsinitiativen ergriffen?
Wir hatten, besonders am Standort Interlaken, sehr alte Gebäude, und wir sind seit einiger Zeit daran, diese Infrastruktur völlig zu erneuern. Auch beim Spital Frutigen wird ein neuer Anbau erstellt. Wir modernisieren uns also innerhalb von wenigen Jahren. Die Patienten profitieren bereits heute weitgehend von einer schöneren Infrastruktur.
Was halten Sie grundsätzlich von solchen Spitalvergleichen und Zufriedenheits-Rankings? Der Direktor des Kantonsspitals Aarau hat sich ja jüngst kritisch geäussert. Zum Beispiel mit der Einsicht, dass die Zufriedenheit ganz stark abhängt von den behandelten Krankheiten; eine junge Mutter ist sicher eher zufrieden als ein Krebspatient. Das hilft vielleicht einem Spital wie Ihrem.
Nein, diesem Aspekt sind wir natürlich ebenso ausgesetzt. Eigentlich sagen es die Berichte ja klar: Im Grunde sind wir alle gut. Im Grunde haben alle Schweizer Spitäler Schulnoten über 5. Da könnten wir uns zurücklehnen und sagen: Ob Note 5, Note 5,5 oder Note 6 – das hing schon in der Schule immer stark von Zufälligkeiten ab. Solche Spitalvergleiche haben also sicher viel mit dem Momentum zu tun. Wenn wir in einem kleinen Spital das nächste Mal drei oder vier unzufriedene Patienten haben, dann schlägt das gleich durch und wir sind nicht mehr vorne.
Die Spitäler fmi AG versorgt ein Einzugsgebiet mit etwa 65'000 Menschen im Berner Oberland. Sie hat rund 1000 Angestellte und betreibt in Interlaken und Frutigen je ein Akutspital inklusive psychiatrische Dienste sowie in Meiringen ein Gesundheitszentrum.
Gibt es neue Aspekte, welche für die Patientenzufriedenheit wichtiger werden? Entwicklungen, auf die Sie in den nächsten Jahren wohl noch mehr ein Auge drauf haben müssen?
Stephanie Müller: Das Image der Institution ist ein zunehmend wichtiger Faktor. Auch achten die Patienten bewusster darauf, wie der Ruf des behandelnden Arztes ist oder wie die Fallzahlen bei seiner Krankheit beziehungsweise Operationen sind.
Urs Gehrig: Deshalb organisieren wir vermehrt Publikumsvorträge. Wir greifen gesundheitliche Themen auf, die aktuell sind, und bieten Vorträge darüber an. Das stösst auf ein riesiges Interesse, teilweise müssen wir diese Veranstaltungen aus Platzgründen zweimal durchführen. Dies hilft wiederum, dass die Bevölkerung wirklich weiss und erfährt: Aha – der wäre zuständig für meine Hüftprobleme. Dieser Dialog ist enorm wichtig, und wir haben ihn in letzter Zeit auch vermehrt gepflegt.
Sie legen also den Schwerpunkt auf den direkten Kontakt. Aus anderen Häusern hört man, dass eine stärkere Öffnung über die digitalen Medien matchentscheidend wird – etwa leichte Erreichbarkeit, viele Online-Informationen et cetera.
Man muss das eine tun und das andere nicht lassen. Es ist völlig klar, dass wir über unsere Website und mit elektronischen Patienteninformationen arbeiten. Aber die Publikumsvorträge zeigen: Das Interesse, persönlich mit den Chirurgen oder Internisten in Kontakt zu treten, ist riesig. Wir waren selber überrascht. Und den Leuten gibt es eine gewisse Sicherheit, dass man es – wenn man denn einmal ins Spital muss – mit Profis zu tun hat.
Wie geht es weiter? Wo liegen Ihre Schwerpunkte in der Qualitätsarbeit in den nächsten Monaten?
Stephanie Müller: Wir sind beispielsweise dabei, die Eintritts- und Austritts-Prozesse zu verbessern. Die bereits erfolgreiche Einführung des Case Managements soll auch auf die übrigen Bereiche übertragen werden. Mit der nachhaltigen Verbesserung der Infrastruktur an unseren Standorten verbessern wir auch die Arbeitsabläufe. Ein anderes Beispiel ist, dass wir aktive Überlegungen anstellen, wie wir die modernen Medienterminals in den Patientenzimmern als weiteren Informationskanal für unsere Patientinnen und Patienten nutzen können.

«Es macht keinen Sinn, dass Pflegefachleute auch noch nach den Blumen schauen müssen»

Urs Gehrig: Ein wichtiges Projekt ist zudem die Trennung der Kernaufgaben. Es macht keinen Sinn, dass Pflegefachleute, die eine Ausbildung von sechs oder acht Jahren haben, noch nach den Blumen schauen oder nach dem Essen fragen müssen. Wir haben also nach Möglichkeiten gesucht, einen guten Skill- und Grademix herzustellen. Wir sagten uns: Es gibt so genannte Gastgeberinnen, welche die Patienten empfangen und für das persönliche Wohl schauen; und es gibt die Pflegefachleute , die sich auf die medizinischen Leistungen konzentrieren. Am Standort Interlaken, wo wir diese Trennung bereits vollzogen haben, kam dies sehr gut an. Auch die Patienten haben je nach Anliegen präzise Ansprechpartner.
Und das half auch als Mittel gegen die Personalnot in der Pflege?
Es führte dazu, dass sich die Pflege auf ihr Kerngeschäft konzentrieren kann – das ist auch für diese Leute interessant. Und auf der anderen Seite brauchen wir dadurch weniger spezialisiertes Pflege-Fachpersonal. Das entspannt auch die Personalsituation. Wir dürfen allerdings feststellen, dass wir als attraktive Arbeitgeberin gelten und bisher vor allzu grossen Sorgen mit der Personalrekrutierung verschont blieben.

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