Fehl-Amputation: Die Behörden outen den Arzt

Die Staatsanwaltschaft in Lugano gab bekannt, welcher Arzt einer Patientin fälschlicherweise beide Brüste amputierte. Sie erklärt den Schritt mit der «Relevanz der beruflichen Funktion» des Mannes.

, 20. Juli 2015 um 04:00
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Es ist doch ein bemerkenswerter Vorgang: Die Tessiner Staatsanwaltschaft hat ein Communiqué veröffentlicht, um den Namen eines – mutmasslich – fehlbaren Arztes bekannt zu machen. Es handelt sich um den Fall, wo einer Patientin in der Privatklinik Sant'Anna fälschlicherweise beide Brüste amputiert worden waren.
Aus zwei Gründen, so die Staatsanwaltschaft, halte man es für angemessen, den Arzt der Öffentlichkeit zu melden («segnalare il nome del medico che ha commesso l'errore chirurgico»): erstens wegen der Relevanz seiner beruflichen Funktion; und zweitens um zu vermeiden, dass falsche Darstellungen kursierten beziehungsweise korrigiert werden müssten.
Zu erwähnen ist allerdings, dass in den Medien bislang noch über keine Namen spekuliert wurde und auch keine anderer Arzt fälschlicherweise als Beteiligter genannt wurde.

Nächster Punkt: Stimmt die Krankenkassen-Abrechnung?

Vor einer Woche war bekannt geworden, dass einer 67jährigen Frau in der Tessiner Genolier-Klinik fälschlicherweise beide Brüste amputiert worden waren. Der Patientin sollte ein kleiner Tumor entfernt werden. Als sie aus der Narkose erwachte, erlebte sie einen Schock – der Arzt hatte eine mastectomia totale bilaterale vorgenommen. Seine Erklärung: Der Tumor hatte sich stärker ausgebreitet als angenommen.
Dies war offenbar eine Falschinformation. Arzt wie Klinik mussten inzwischen eingestehen, dass es sich schlicht um eine Verwechslung zweier Patientinnen gehandelt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den Arzt, aber auch gegen die Klinikleitung. Mögliche Vorwürfe könnten auf schwere Körperverletzung lauten, aber auch auf Dokumentenfälschung (die falsche Behauptung, dass man aus medizinischen Gründen beide Brüste habe amputieren müssen, wurde offenbar auch im Operationsrapport festgehalten). 
Und wie die Staatsanwaltschaft inzwischen feststellte, werde man in der Folge auch die Krankenkassen-Abrechnung dieses Falles überprüfen.

«Er hätte sich selber melden müssen»

Beim inkriminierten Arzt handelt es sich um einen Gynäkologen, der in Soregno praktiziert. Er studierte in Grenoble und hatte vor seiner beruflichen Tätigkeit im Tessin an den «Hôpitaux du Léman» im französischen Thonon-les-Bains gearbeitet.
Das Outing stösst nur auf leise Kritik. Franco Denti, der Präsident der Tessiner Ärztevereinigung OMCT, zeigte sich «verblüfft» über den Schritt der Untersuchungsbehörden in Lugano. Gegenüber dem Online-Portal «Ticino Online» merkte Denti an, dass der Gynäkologe aus Soregno «nicht der einzige Verantwortliche» sei.
Allerdings drehte der Standesvertreter den Spiess auch um: Es wäre Aufgabe des Mediziners gewesen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, «den Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen. Er hätte dies nicht nur tun müssen, um seine Kollegen und den Fachbereich zu schützen, sondern auch aus Gründen der Transparenz.» 
Womöglich hätten solche Überlegungen jetzt auch den Entscheid der Staatsanwaltschaft geprägt.
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