Herr Küng, inzwischen sind in der Schweiz 76 Personen nach einer Covid-Impfung verstorben. Swissmedic kommuniziert, dass schwere Vorerkrankungen zum Tod geführt haben. Aus welchen Gründen wird die Impfung als Todesursache ausgeschlossen? Um sicher zu gehen, müssten Obduktionen vorgenommen werden? Ist dies der Fall?
Es ist am Arzt oder an der Ärztin, einen möglichen Zusammenhang eines Todesfalls mit der Einnahme oder Gabe von Arzneimitteln zu beurteilen. Swissmedic empfiehlt Obduktionen, kann diese aber nicht anordnen, das liegt in der Verantwortung der zuständigen Ärzte, der kantonalen Behörden oder gegebenenfalls der Angehörigen.
Auf welchen Daten basieren die Ergebnisse der Experten, sollte kein Obduktionsbericht vorliegen?
Jede Meldung in Zusammenhang mit einem Todesfall wird durch Pharmacovigilance-Expertinnen und Experten abgeklärt, gestützt auf Krankengeschichten, Analysen, Laborwerten und wenn verfügbar auf Obduktionsberichten. Die Fachleute kommen in den bisher ausgewerteten Fällen zum Schluss, dass ein kausaler Zusammenhang mit den Covid-19 Impfungen bisher unwahrscheinlich ist.
Welche Hinweise müssten konkret vorliegen, um die Impfung als Todesursache gelten zu lassen?
Wie oft in der Medizin und Biologie gibt es in solchen Fällen keine konkreten oder fixen Hinweise. Für die Beurteilung der Kausalität, sprich: besteht ein echter Zusammenhang und nicht bloss zeitlich, sind zahlreiche Informationen relevant. So etwa die Krankengeschichte und die bekannten Risiken, der genaue Verlauf und die Art der Symptome vor dem Tod. Und: Wie lange nach der Impfung sind welche Symptome oder gar der Tod aufgetreten und so weiter. Die Beurteilung ist im Ermessen der involvierten Spezialisten. Ein grosse Rolle spielt neben dem spezialisierten Fachwissen auch die Erfahrung der Beurteilenden.
Der Erfahrung alle Ehre. Doch nur eine Obduktion kann ein sicheres Ergebnis liefern. Nachdem Swissmedic keine anordnen kann: Haben Sie Kenntnisse darüber wie viele der Verstorbenen obduziert wurden?
Gemäss unserem Kenntnisstand wurde in der Mehrheit der Todesfälle keine Obduktion angeordnet. Dies geschah vermutlich, weil die betreffenden Ärztinnen und Ärzte aufgrund der Vorerkrankungen sowie dem hohen Alter der Verstorbenen keinen Grund gesehen haben, eine Obduktion zu veranlassen. Auch Obduktionen können nicht immer abschliessend zur Klärung der Todesursache beitragen, weil es in der Medizin und in der Biologie sehr selten ein Hundert- oder Nullprozent gibt.
Christoph Küng, Leiter Abteilung Arzneimittelsicherheit bei Swissmedic. (zvg)
Die Verstorbenen waren im Durchschnitt 82 Jahre alt und hatten mehrheitlich schwere Vorerkrankungen. Sollten sich ältere Menschen mit Vorerkrankungen überhaupt impfen lassen?
Die Impf-Empfehlungen der EKIF (BAG) beruhen unter andrem auf den folgenden Fakten: Fakt 1 ist der positive Zulassungsentscheid von Swissmedic für den Einsatz eines Impfstoffs. Der Entscheid ist abgestützt auf den durchgeführten klinischen Studien, die insbesondere auch das Alter und die Risikofaktoren der Patientinnen und Patienten in den Studien berücksichtigen. Fakt 2 ist das Risiko der Covid-Erkrankung selber, mit einer hohen Sterblichkeitsrate gerade bei alten und geschwächten Menschen mit bestehenden Vorerkrankungen. Wenn man zudem die «normale» Todesfall-Statistik vor Corona in der Schweiz berücksichtigt, liegt es in der Natur der Sache, dass uns auch im Rahmen der Pharmacovigilance Todesfälle gemeldet werden.
Anders – und etwas salopp – gefragt: Lohnt es sich für schwer kranke Menschen, eine Covid-Impfung zu machen? Vielleicht hätten sie ohne länger gelebt ...
Es ist nicht an Swissmedic, diese Frage zu beurteilen. Wir sind für die Bewilligung, Zulassung und Marktüberwachung verantwortlich. Der Impfentscheid wird nach Evaluation durch den Impfkandidaten und den impfenden Arzt gemacht und ist individuell. Dabei spielen nicht nur medizinische Überlegungen wie die Risiken einer Erkrankung oder das Risiko einer Impfung eine Rolle. Es fliessen auch ethische und soziale Faktoren ein, weil möglicherweise die zu impfende Person noch die nächsten Geburtstage der Enkel erleben möchte, oder weil die Angehörigen es nicht ertragen würden, den ungeimpften Vater oder die umgeimpfte Mutter wegen Covid zu verlieren.
Update: Swissmedic vermeldet 1'953 Nebenwirkungen
Bis zum 2. Mai wurden laut BAG (Bundesamt für Gesundheit) rund 2,8 Millionen Impfdosen in der Schweiz verabreicht; etwa 954'000 Personen sind vollständig geimpft. Bis zum 4. Mai 2021 konnten 1'953 Meldungen über vermutete unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) durch Covid-19 Impfungen ausgewertet werden. Evaluiert werden die eingehenden UAW-Meldungen von Swissmedic und den regionalen Pharmacovigilance-Zentren, insbesondere mit dem Tessiner Referenzzentrum beim Kantonsspital-Verbund EOC.
36 Prozent schwerwiegende Nebenwirkungen
Mit 1'252 (64,1 %) war der grössere Teil der Meldungen nicht schwerwiegend. 701 Meldungen (35,9 %) wurden als schwerwiegend eingestuft. In 76 der schwerwiegenden Fälle sind die Personen in unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Impfung gestorben. Die Verstorbenen waren im Durchschnitt 82 Jahre alt und hatten mehrheitlich schwere Vorerkrankungen.
Die am häufigsten gemeldeten Reaktionen in Fällen, die als schwerwiegend eingestuft wurden, waren Fieber (90), Kopfschmerzen/Migräne (51), Luftnot (48), Herpes Zoster Reaktivierung (48), Erschöpfung (38), Muskelschmerzen (37), Unwohlsein (34) Überempfindlichkeit (33)/anaphylaktische Reaktionen (17), Übelkeit (32), Schüttelfrost (31), Erbrechen (31) und Blutdruckerhöhung (31).
Zur vollständigen Mitteilung geht es
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