Rückenschmerzen: So treiben Ärzte die Kosten in die Höhe

Viele Ärzte setzen auf bildgebende Verfahren und auf Schmerzmittel: Über 85 Prozent der Patienten erhalten Tabletten – viele davon sogar Fentanyl oder Oxycodon.

, 27. Juli 2022 um 09:37
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Ob Röntgen, CT oder MRI – bei Rückenschmerzen setzen viele Ärzte auf den Einsatz bildgebender Verfahren. | Symbolbild Freepik
Fast jeder kennt und verteufelt sie: den Hexenschuss oder andere Schmerzen im unteren Bereich des Rückens. In der Schweiz sind über 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben mit diesem Leiden konfrontiert. Es wundert daher nicht, dass Rückenschmerzen zu vielen Arztbesuchen führen.  
Um die Datenlage betreffend die Behandlungen von Rückenschmerzen im unteren Rücken zu analysieren, haben das Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich und die Groupe Mutuel eine Studie durchgeführt. Die Ergebnisse erschrecken.

30 Prozent erhalten Opiate

Für die Studie untersucht wurden Versicherte mit bildgebenden Verfahren wie Röntgen, CT oder MRI. Über 85 Prozent der Behandelten erhielten dabei mindestens ein Schmerzmedikament. Mehr als zwei von fünf Personen wurde dabei ein Opiat verschrieben. 
In 30 Prozent der Opiat-Abgaben handelt es sich sogar um starke Mittel wie Fentanyl, Oxycodon oder Morphin, die auch für ihr Suchtpotenzial bekannt sind. Dies obwohl smarter medicine von einer Opiat-Abgabe bei unspezifischen Rückenschmerzen abrät, geben die Autoren der Studie zu bedenken.

Patienten überversorgt

Von den gewählten bildgebenden Verfahren wurde das MRI mit 44 Prozent am häufigsten durchgeführt. Von weiteren Studien ist bekannt, dass MRI-Untersuchungen häufig zu früh und ohne gute Indikation durchgeführt werden. Sie führen ausserdem eher zu Folgeuntersuchungen sowie Folgekosten und können sogar den Heilungsverlauf verzögern.

«Im Durchschnitt verursachten die Behandelten im untersuchten Zeitraum jedes Jahr Kosten von 518 Millionen Franken Total und 8722 Franken pro Patient (Bruttokosten OKP)».

Groupe Mutuel
Patienten, die an Rückenschmerzen litten und per bildgebendem Verfahren untersucht wurden, hatten 72 Prozent höhere Gesundheitskosten als solche ohne.
«Die Studie zeigt auf, dass Patienten mit Rückenschmerzen oftmals überversorgt werden. Der Nutzen einer Behandlung sollte in Zukunft im Zentrum stehen – und mit einem entsprechenden Modell abgegolten werden», wird Daniel Volken, Leiter Generalsekretariat der Groupe Mutuel, in der Medienmitteilung zitiert.

Details zur Studie

Anzahl untersuchte Dossiers zur Kostenberechnung:  75'296 (57 Prozent Frauen, Altersdurchschnitt: 54.5 Jahre)
Zeitraum:  2015-2019 (mit bildgebendem Verfahren 2016 oder 2017)
Auswahlkriterium: Bildgebende Diagnostik für die Lendenwirbelsäule
Wissenschaftliche Publikationen: 
  • «Characteristics and health care costs in patients with a diagnostic imaging for low back pain in Switzerland», Di Gangi et al., «Eur J Health Econ». 2022 Jul;23(5):823-835
  • «Treatment Patterns in Patients with Diagnostic Imaging for Low Back Pain: A Retrospective Observational Study», Di Gangi et al., «J Pain Res.» 2021 Oct 7;14:3109-3120
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