Spitäler wollen nicht vekaufen

Sie besitzt alle Spitäler des Swiss Medical Network. Nun will Infracore expandieren. Doch die Spitalszene steht dem Geschäftsmodell kritisch gegenüber.

, 29. Juli 2017 um 22:00
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Die Spitalimmobilien der Privatspitalgruppe Swiss Medical Networks gehörten bisher der Konzernschwesterfirma Infracore. Im Frühling kündigte der Mutterkonzer Aevis an, die Mehrheit an Infracore zu veräussern. Das ist inzwischen passiert, wie Medinside ebenfalls berichtet hat. Weil mit den Anteilskäufern gleichzeitig ein Verkaufsoption vereinbart wurde, ist der Verdacht aufgekommen, dass der Deal nicht zuletzt dazu dienen könnte, mittels erhöhter Dividendenausschüttung Kapital aus dem Unternehmen zu ziehen.
Mehrheitseigner Antonie Hubert widersprach daraufhin auf Medinside. Man habe ganz andere Ziele. «Infracore, das von Aevis und Swiss Medical Network unabhängig ist, kann in den Markt der privaten und öffentlichen medizinischen Infrastruktur expandieren, indem es eine alternative Lösung für deren Finanzierung anbietet.»
Das Geschäftsmodell von Infracore kann kurz so zusammengefasst werden: Drittspitäler verkaufen ihre Immobilien an Infracore- oder lassen sich Neubauten durch Infracore bauen - und mieten sich anschliessend darin ein. Besteht für solche Angebot tatsächlich eine Nachfrage?  Die Antwort des Spitalverband H plus lässt aus der Sicht von Infracore diesbezüglich wenig Hoffnung aufkommen:  «Wir haben zu diesem Thema keine Expertise.»

«Spitalleitungen haben Angst»

Christian Elsener bietet mit seiner Firma Unternehmensberatung für Immobilien und Infrastruktur im Gesundheitswesen an und berät nach eigener Aussage vor allem Spitäler. Der frühere Spitalexperte von PWC sagt, aus fachlicher Sicht müsste eigentlich eine Nachfrage nach solchen Immobilienmodellen bestehen. In anderen Branchen funktioniere das auch gut. Ein solches Immobilienmodell biete den Spitälern viele Vorteile. Neben einem professionalisierten Immobilienmanagement mit besseren Dienstleistungen würden so auch beim Portfolio die kritische Grösse erreicht. So könnten Synergien genutzt werden. Zudem könnten die Spitäler das Geld, dass sie für ihre Spitäler am Markt aufnehmen und «in Beton» investieren für andere Investitionen im Kerngeschäft investieren. 
Doch in der Realität habe das Modell kaum eine Chance. Gemäss Elsener gibt es - wie bisher etwa bei Aevis Victoria, der Mutterkonzern von Swiss Medical Network  und Infracore- einzelne Spitäler, die ihre Immobilien in eine Tochtergesellschaft ausgelagert haben. «Mir sind bisher aber keine Fälle bekannt, in denen Spitäler ihre Immobilien an Dritte veräusserten.» In einem Fall, in den er als Berater involviert gewesen sei sei man «relativ weit» gewesen. Doch das Geschäft sei nicht zu Stande gekommen. Elsener nennt drei Hauptgründe, weshalb Spitäler bisher kaum eingemietet sind.
  1. Spitalführungen hätten häufig Angst, dass sie als Mieter übervorteilt würden und sich die Vermieter Geld auf ihre Kosten verdienen würden. Elsener hält diese Ängste für unbegründet. Auch die Planungssicherheit für die Spitäler sei hoch - denn die Vermieter seien an langfristigen Verträgen interessiert, da sie für die Spitalbauten kaum Nachmieter finden könnten. Für manche Spitäler könne die relativ langfristige Gebundenheit an die gemieteten Gebäude aber unter Umständen ein Nachteil sein.
  2. Gemäss Elsener gibt es einen weiteren Grund, der Spitäler davon abhält, zu verkaufen und dann zu mieten. Denn als Eigentümer der Gebäude könne kurzfristig die Bilanz aufgebessert werden. Etwa, indem Investitionen hinausgeschoben werden. Als Mieter können sie dies nicht. Die Miete ist regelmässig fällig und entspricht den effektiven Kosten plus der Rendite des Vermieters und muss sauber bilanziert werden. Eine Folge davon: Die bereits tiefen Ebitda-Margen der Spitäler sänken in den Bilanzen noch weiter. Das schreckt die Spitäler ab - auch weil sie als Folge davon auf dem Kapitalmarkt schlechter dastünden.
  3. Letzter und gewichtigster Punkt für Elsener ist die Politik und die Bevölkerung. Er habe sehr grosse Zweifel, ob die Veräusserung von Spitalimmobilien im heutigen politischen Kontext eine Chance habe, sagt Elsener. 

Überraschend zeigt sich die bernische Gesundheitsdirektion gegenüber solchen Modellen nicht per se abgeneigt. Die zuständige stellvertretende Generalsekretärin Aline Froidevaux schreibt auf Anfrage: «Die ehemals öffentlichen Spitäler und Psychiatrien im Kanton Bern werden als Aktiengesellschaften im Mehrheitsbesitz des Kantons geführt. Diese Institutionen verfügen über Gestaltungsspielraum. Die Verantwortung für die Festlegung der Unternehmensstrategien liegt bei den entsprechenden Verwaltungsräten und nicht beim Kanton Bern. Dies gilt auch für den Immobilienbereich. Die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen erfolgt (...) insbesondere über die Wahl der Verwaltungsräte. Die Institutionen sind jedoch angehalten, den Kanton über wichtige Entscheide, Veränderungen und Vorkommnisse zu informieren, bevor sie öffentlich kommuniziert werden.»
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Christian Elsener. | zvg

Ohne Marge keine Miete

Elsener ist ob der Antwort aus Bern «erstaunt», bleibt hinsichtlich der politischen Chancen für solche Finanzierungsmodelle skeptisch. «Politisch möchte ich diese Debatte nicht führen müssen.»
Aufgrund seiner Erfahrung empfehle er kleinere Schritte. Etwa indem mehrere kleinere Spitäler ihre Spitäler in einer Einheit zusammenfassen. Dies als ausgelagerte Firma. Es sei aber auch möglich, nur den Betrieb auszulagern und die Gebäude im Besitz der jeweiligen Spitäler zu belassen.
Doch zwingen die tiefen Ebitda-Margen (siehe farbige Box unten) die Spitälern nicht wohl oder übel, solche neuen Modelle zu nutzen? Eigentlich schon, findet Elsener. Doch jene Spitäler, die ihre Neubauten nicht selbst finanzieren könnten, seien auch für Vermieter wenig interessant. Will Hubert mit Infracore im Spitalbereich expandieren, steht ihnen noch ein längerer und durchaus schwieriger Weg bevor.

Spitäler kranken an tiefer Marge

Die Beratungs- und Revisionsgesellschaft PwC hat vor einigen Jahren eine vielbeachtete Zahl in die Schweizer Spitallandschaft gesetzt: 10 Prozent. Diese Ebitda-Marge sollte ein Akutspital grundsätzlich erreichen, um sich nachhaltig erneuern zu können und beispielsweise Ersatzinvestitionen stets aus eigener Kraft zu stemmen. Die Zahl seither von vielen Experten und Spitaldirektoren anerkannt und zum Massstab genommen. Dabei sieht es schlecht aus: Die 10-Prozent-Hürde erscheint für viele Spitäler kaum erreichbar. (rp)
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