Die technologischen Entwicklungen kommen jedoch immer schneller und ungefragt. Die Digitalisierung ist darum für alle Staatswesen eine riesige Herausforderung: Die nötigen Infrastrukturen müssen vorhanden sein, neue Geschäftsmodelle tauchen auf, es stellen sich drängende Wettbewerbsfragen. Das Gesundheitswesen ist in besonderem Masse betroffen.
Innovation überholt Regulierung
Beispiele sind viele zu finden. Ein anschauliches soll hier genügen: Wer heute ein Auto zulassen will, muss einmalig verschiedene Tests absolvieren – zum Beispiel, ob das Auto den Sicherheitsanforderungen genügt. In Zukunft wird die Software von Fahrzeugen über das Internet aber laufend aktualisiert, was grundsätzliche Änderungen am Auto zur Folge haben kann. Wie prüft der Staat hier die Sicherheit und andere Vorschriften noch? Wie macht er aus einer einmaligen Zulassungsregulierung einen kontinuierlichen Prozess? Das gilt nicht nur für Autos, sondern für alle Dinge, die am Internet angeschlossen sind. Und das sind immer mehr, gerade im Spital- und Gesundheitswesen.
Der Kanton Graubünden war das einzige Staatswesen auf der Welt, das für 25 Jahre (1900 – 1925) ein explizites Verbot für privaten Motorverkehr auf der Strasse kannte.
Welche Regulierungsstrategie ist die Richtige?
Der Druck auf die Regulierung wird daher von Seiten Wirtschaft technologiebedingt zunehmen. Denn die herkömmlichen, historisch gewachsenen Regulierungen sind oft ungeeignet, um die neuen Geschäftsmodelle (E-Health, Fintech, Sharing Economy, FoodTech, etc.) mitabzudecken. Und das herkömmliche Gesetzgebungsverfahren ist langsam und hinkt der Realität hinterher.
Der Staat kann mit verschiedenen Strategien reagieren. Der Staat kann:
- regulatorische Hindernisse aus dem Weg räumen, die zum vornherein gewisse Geschäftsmodelle verhindern. Dazu kann er Gesetze anpassen, oder neue Gesetze schaffen. Das geht in unserem System (zu) langsam;
- überregulierte Branchen so deregulieren, dass gleich lange Spiesse mit den neuen Marktteilnehmern hergestellt werden;
- seine wirtschaftsrelevanten Regulierungen grundsätzlich und konsequent «technologieneutral» aufsetzen, etwa nach dem Prinzip «was analog erlaubt ist, soll digital auch erlaubt sein»;
- nach dem Vorbild des Gesundheitswesens (KVG) in Gesetzen «Experimentierartikel» schaffen; diese erlauben für eine begrenzte Phase und streng kontrolliert das Ausprobieren neuer Ideen, ausserhalb des gesetzlichen Rahmens.
Wir brauchen eine technologieunabhängige Regulierungsstrategie, die Experimente zulässt
Der Innovator benötigt vom Regulator darum ein grundsätzliches Umdenken in der Frage der Regulierung. Die Schweiz – Bund und Kantone - brauchen dringend Normkonzepte, welche technologieunabhängige Regulierungen vorgeben. Sodann brauchen alle überregulierten Branchen Experimentierartikel, wie sie heute im Gesundheitswesen schon eingeführt sind. Entsprechend den in jüngster Zeit zugelassenen Pilotnormen im Gesundheitswesen (KVG resp. in den kantonalen Anschlussgesetzgebungen), soll das Ausprobieren von neuen Lösungen, Verfahren und Produkten in relevanten Gebieten mit klaren zeitlichen, örtlichen und thematischen Begrenzungen sowie unter angemessenen Auflagen (Sicherheit, Konsumentenschutz) ermöglicht werden. Profitieren davon sollen gleichermassen Startups sowie bestehende innovative Anbieter. Für eine Eignung zu Pilotnormen wären Gesetzgebungen in vielen überregulierten Bereichen und Branchen zu evaluieren.
Daneben gilt es drei weitere Probleme konsequent anzupacken:
- Wir haben eine zunehmend aufwändige behördliche Bürokratie, die auf etablierte und administrativ starke Firmen ausgerichtet ist. Es braucht insbesondere für Startups den Fast-Track mit Sonderlösungen und/oder Bürokratieabbau. Dazu gehören eine konsequente Vereinfachung und Digitalisierung des Verkehrs mit Behörden.
- Die Schweiz hat für Investoren ungünstige steuerliche Rahmenbedingungen, etwa die Anrechnung von Venture Capital in der Vermögenssteuer. Die Abschaffung der Vermögenssteuer, die uns im internationalen Vergleich benachteiligt, ist anzustreben.
- Es wird zunehmend schwierig, Talente von ausserhalb der EU zu rekrutieren. Es braucht eine erleichterte Regelung, damit wir hochqualifizierte Fachleute für Forschung und Innovation unkompliziert in die Schweiz bringen können.