Studierende der Medizinischen Fakultät der Universität Bern laden Firmen ein, damit diese im Hörsaal für ihre Produkte und Dienstleistungen werben. Mit den so gewonnenen Einnahmen zahlen die über 200 Studierenden unter anderem ihre einwöchige Abschlussreise nach Italien – oder den Abschlussball. Für die Zeitung «Bund» ist das «ein heikler Deal».
Demnach stellte die Pharmafirma Mundipharma etwa vor Kurzem «im Rahmen einer Vorlesung» Medikamente vor und gab den Studierenden ein Buch sowie ein Lunchpaket mit. Die Kosten dafür: zwischen 4'000 und 5'800 Franken – je nach Anzahl der Teilnehmenden. Die Sponsoren-Veranstaltungen sind offiziell im Stundenplan aufgeführt.
10'000 Franken in einem Jahr
Neben der Basler Firma, die auch an den Fakultäten in Zürich, Basel oder Lausanne auftritt, finanzierten auch zwei Treuhänder dieses Jahr eine Vorlesung in Bern: Sie informierten die jungen Ärzte zum Thema Steuerabzüge für Assistenzärzte, finanzielle Starthilfe oder Vermögensaufbau. Insgesamt haben die Berner gemäss «Bund» im vergangenen Jahr rund 10'000 Franken eingenommen.
Problematisch für die Zeitung ist vor allem, dass das Sponsorenreglement der Universität Bern keine gesponserten Vorlesungen zulässt. Dies dürfte laut Rechtsexperten auch für Sponsoren der Studentenschaft gelten. Denn mit den Richtlinien soll jede unzulässige Beeinflussung der freien akademischen Lehre verhindert werden. Mit Sponsoren-Veranstaltungen setzen sich die jungen Ärztinnen und Ärzte aber selber dem Risiko aus, in eine Abhängigkeit zu den Sponsoren zu geraten.
Pharma-Industrie künftig kein Sponsor mehr?
Für die Universität Bern handle es sich bei diesem Vorgehen um einen «Grenzfall». Denn es gehe um Anlässe eines privaten Vereins, welche «nicht im Rahmen der offiziellen Vorlesungen» stattfänden, wird die Uni im Bericht zitiert. Die Hochschule werde nun vor dem Hintergrund der Fundraising-Richtlinien mit dem Verein die Zusammenhänge zwischen «privatem Verein und Universität prüfen» – und gegebenenfalls Massnahmen ergreifen.
Der Berner Staatsverein, der diese Sponsoren-Veranstaltungen organisiert, hat bereits reagiert: Künftig werden Pharmaunternehmen wie Mepha oder Mundipharma nicht mehr als Sponsoren zugelassen, heisst es. «Dies da die Veranstaltung im Vergleich zu den anderen Sponsoring-Veranstaltungen keinen Mehrwert in unserer Ausbildung bringt und möglicherweise einen Interessenkonflikt darstellt», sagt Philipp Aebi vom Staatsverein gegenüber der Zeitung «Bund».
FMH will Transparenz verbessern
Im Jahr 2017 zahlten Pharmafirmen rund 160 Millionen Franken an Ärzte, Spitäler und Gesundheitsorganisationen. Auch Lehrstühle (Stiftungsprofessuren) an Universitäten werden mitunter von der privaten (Pharma-)Industrie gesponsert. Dass die Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie zu Interessenkonflikten und Abhängigkeiten führen kann, ist längst bekannt.
Um den Vorwurf der Beeinflussung zu entkräften, publizieren die Firmen von sich aus Listen mit den Empfängern der Unterstützungen. Mittlerweile legen rund 80 Prozent der
Health Professionals im Pharma-Kooperations-Kodex
(PKK) freiwillig offen, wie hoch ihre sogenannten geldwerten Leistungen sind. In der Schweiz ist Scienceindustries für den Kodex zuständig.
Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH verlangt, dass die Entschädigungen an einem einzigen Ort publiziert werden. Die Angaben sollten nicht bei jedem einzelnen Unternehmen gesucht werden müssen. Die Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den Ärzten ist seit elf Jahren transparent in der FMH-Standesordnung geregelt.