Fahles Licht, kahle Gänge, Krankenhausgerüche – typisch Spital. Fehlentwicklung. Denn immer mehr Mediziner und Wissenschaftler sind der Überzeugung: Die Umgebung und die Architektur beeinflussen den therapeutische Erfolg – im positiven Sinne.
Tatsächlich gibt es zahlreiche kleinere und grössere Studien, die den Effekt der Raumgestaltung oder des Ausblicks aus dem Spitalzimmer auf die Genesung untersucht haben. Die meisten stammen aus den USA, Kanada oder Deutschland.
Und die Resultate sind immer ähnlich: Das richtige Design kann Infektionen verhindern, Schmerzen reduzieren oder Aufenthalte verkürzen. Ein aktueller Übersichtsartikel
in der renommierten «Harvard Business Review» greift ein paar Beispiele auf.
Am McGill Universitätsspital im kanadischen Montreal gestaltete die Spitalleitung die Intensivstation um. Aus Mehrbetten-Stationen wurden Privat-Zimmer.
Nach fünf Jahren zeigte sich: die Rate von bakteriellen Infektionen verringerte sich um mehr als 50 Prozent. Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer ging um 10 Prozent zurück.
In einer
anderen Studie kamen Forscher zum Schluss: Krankenhaus-Gärten helfen, die Heilung zu beschleunigen. Ausserdem tragen sie dazu bei, dass Familienmitglieder und Klinikpersonal besser mit Stress umgehen können. Hilfreich zu wissen: Der Garten muss nicht im Freien sein. Ein naturdurchflutetes Atrium tut es auch.
- 3. Kürzerer Aufenthalt für Frühgeborene
Die
Gestaltung der Umgebung hat auch einen positiven Effekt auf die jüngsten Patienten. Eine grosszügigere Raumgestaltung einer Neugeborenen-Stationen erlaubte es, frühgeborene Babys nach der Geburt so nahe wie möglich bei der Mutter im Zimmer unterzubringen.
Das Resultat: Tiefere Morbiditätsraten, kürzere Aufenthaltsdauer von 10 Tagen, weniger Beatmungshilfe sowie allgemein bessere psychische und physische Aussichten.
Bilder statt leere WändeAlso viel Licht, Teppichböden, frische Blumen oder Farben. Eine angenehme Spitalumgebung mit hotelähnlichen Annehmlichkeiten verbessert nicht nur den Heilungsprozess und die Patientenzufriedenheit. Zimmer mit grossen Fenstern oder Zugang zu Gärten können auch helfen, Kosten zu senken.
Hier der Nachweis: Weil das Personal einer akutpsychiatrischen US-Klinik Bilder von Naturlandschaften aufhängte, sparte die Klinik 30’000 Dollar. Der einfache Grund: Der Bedarf an Beruhigungs-Injektionen sank um 70 Prozent. Es gab schlicht weniger Patienten, die ein aggressives oder agitiertes Verhalten an den Tag legten.Das ist der Vater der Healthcare-ArchitekturSie mögen jetzt denken: Design, Atmosphäre und Umgebung, dies alles habe mehr mit Geschmack und Moden als mit Wissenschaft zu tun. Weit gefehlt. «Healthcare-Architektur» oder «heilende Architektur» nennt sich dieses noch junge Fachgebiet. Gebaut wird also streng nach der Devise: Auch die Umgebung und das Ambiente helfen bei der Heilung.Als Vordenker dieser Bewegung gilt
Roger Ulrich, Gastprofessor am Zentrum für Healthcare Architektur an der Technischen Hochschule Chalmers in Schweden. Bereits vor 30 Jahren
schrieb der texanische Architekturprofessor in einer Fachpublikation: «Der Blick durch ein Fenster kann die Regeneration nach einem chirurgischen Eingriff beeinflussen.»Die Geburtsstunde der Healthcare-ArchitekturDazu beobachtete der Forscher zwei Gruppen, an denen man identische Operationen durchführte. Eine Gruppe kurierte in normaler Krankenhausumgebung aus, nur mit dem faden Blick auf ein anderes Gebäude. Eine zweite Gruppe durfte jedoch auf Bäume blicken. Das Resultat: Der Spitalaufenthalt verkürzte sich deutlich, Probanden der zweiten Gruppe durchlebten weniger Komplikationen, nahmen weniger Schmerzmittel ein und litten seltener unter Depressionen. Die Geburtsstunde der Healthcare-Architektur. Grenzen der heilenden Architektur Die heilende Architektur ist ein vielversprechendes Gebiet.
Darin sind sich Experten einig. Doch bei allem Lob, eines kann sie nicht: Die menschliche Umsicht des Pflegepersonals, freundliche Worte der Ärzte, das alles kann das Design alleine nicht ersetzen.