Die Coronapandemie hatte zur Folge, dass die Belastungsgrenze für viele medizinische Berufsgruppen im Schweizer Gesundheitswesen überschritten wurde. Die Konsequenz war in vielen Fällen ein Berufsausstieg. Insbesondere bei Pflegenden ist schweizweit mit einem monatlichen Berufsausstieg von 300 Fachkräften zu rechnen. Der Fachkräftemangel spitzt sich damit weiter zu.
Berufsausstieg nach dem ersten Kind
Viele Frauen verlassen zudem den Pflegeberuf, sobald sie ihr erstes Kind bekommen. Denn, tiefe Arbeitspensen sind nach wie vor in vielen Spitälern nur in Pflegepools möglich. Diese Pools sind für viele Mitarbeitenden uninteressant, weil das Fachgebiet variiert und die Einsätze je nach Bedarf unterschiedlich sind. «Für viele Pflegende ist ein stabiles Team jedoch eine wichtige Voraussetzung», sagt dazu Pia Suter, Projektleiterin für das Wiedereinstiegsprogramm.
Das
Wiedereinstiegsprogramm ist eine von über zehn Massnahmen zur Gewinnung und Erhaltung von Pflegefachkräften im
Kantonsspital Aarau AG. Dazu gehören bsp. Die Erhöhung der Zulagen für Nacht- und Wochenendarbeit, subventionierte Betreuungsplätze in der unternehmenseigenen Kita oder Investitionen in Aus-, Weiter- und Fortbildung und die Erhöhung der Ferientage. Das Ziel ist, den Bedürfnissen der Belegschaft so gut wie möglich gerecht zu werden.
Flexible Arbeitsmodelle gegen den Fachkräftemangel
Im Zuge des zunehmenden Fachkräftemangels sind daher dringend neue und flexible Arbeitszeitmodelle gefragt. Denn, der drohende Berufsausstieg von Pflegenden hat steigende Patientenbettschliessungen zur Folge und zwingt HR Abteilungen und Spitalführungskräfte, neue Konzepte anzubieten. Ehemalige Pflegende, die den Beruf meist aufgrund der Familienplanung oder wegen mangelnder Flexibilität aufgegeben haben, werden zu einer Erfolg versprechenden Rekrutierungsquelle.
Modulare Schulungen
Das Kantonsspital Aarau AG hat deshalb ein Wiedereinstiegsprogramm für Pflegende mit längerer Berufspause aufgebaut. Mit einer sorgfältigen Einführung und mit einem Bezugspersonensystem werden gut ausgebildete und meist sehr erfahrene Fachkräfte ermutigt, in den Pflegeberuf zurückzukehren. «Mit modularen Schulungen werden die Kompetenzen, das Vertrauen und die Sicherheit im Arbeitsalltag zurückgewonnen», sagt Fabio Blasi. Mit diesem Konzept werden Schritt für Schritt alle Aufgaben in einem sechsmonatigen Programm wieder erlernt oder aufgefrischt. «Wir konnten damit im September 2022 starten und bisher 15 Pflegefachkräfte HF für den Beruf zurückgewinnen», so Blasi.
Wiedereinstieg Schritt für Schritt:
- Das Konzept des Wiedereinstiegprogramms muss intern geplant und koordiniert werden. Die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und bei den Führungskräften auf den Pflegestationen ist Basis für das Gelingen. Die offenen Stellen werden über Stelleninserate, Mitarbeiterempfehlungen und über die eigenen Social-Media-Kanäle vermarktet.
- Die eingereichten Bewerbungen durchlaufen eine Selektionsrunde mit Erstgesprächen. Es folgen mögliche Vorstellungsgespräche und Schnuppertage. Anhand der Berufserfahrung der Kandidatinnen und Kandidaten wird die fachliche Expertise eingeschätzt. Der Selektionsprozess entspricht weitgehend einem regulären Rekrutierungsprozess. Bei einer Kandidatenzusage werden das Einführungsprogramm bestimmt sowie die Planungswünsche festgehalten.
- Der Mitarbeitereintritt und die Einarbeitungsphase werden eng begleitet. Mitarbeitende des Wiedereinstiegsprogramms besuchen den KSA-Einführungstag und starten ab dem zweiten Arbeitstag mit der Aktualisierung von klassischen Pflegeaufgaben.
- Während der sechsmonatigen Einarbeitsungszeit werden mehrere Standortbestimmungen durchgeführt, die Lernziele überprüft und situativ Personalentwicklungsmassnahmen verabschiedet. Die Programmverantwortlichen steht den Pflegenden zur Seite und gibt ihnen Sicherheit.
- Nach der erfolgreichen sechsmonatigen Einarbeitung werden KSA Kurszertifikate ausgestellt. Nach dem Besuch der Einarbeitungsmodule werden die Teilnehmenden des Programms auf eine Pflegestation oder im Pflegepool langfristig arbeiten, sofern ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung im Unternehmen besteht. Eine Festanstellung ist von Beginn weg vorgesehen.
Pia Suter
Projektleiterin für das Wiedereinstiegsprogramm Sie hat 15 Jahre Berufserfahrung als diplomierte Pflegefachfrau HF auf einer chirurgischen
Bettenstation und war während der Coronapandemie die Koordinatorin im KSA-Impfzentrum. Danach hat Pia Suter die Projektleitung sowie den Auf- und Ausbau des Wiedereinstiegspro-
gramms übernommen. Als Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern ist ihr der Spagat
zwischen Familie und Beruf nicht fremd.
Fabio Blasi
Leiter Sourcing, Employer Branding und Development in der KSA-GruppeEr hat sich in seinen Fach- und Führungsfunktionen seit 2011 im Schweizer Gesundheitswesen auf die Personalgewinnung und -erhaltung sowie im Employer Branding spezialisiert. Nebenberuflich ist er Dozent an der Zürcher Fachhochschule, konzipiert Personalgewinnungsstrategien und ist Speaker an Fachevents, Kongressen und an Podiums-diskussionen in der D-A-CH-Region. Das KSA wurde im Jahr 2022 mit vier Arbeitgeberawards für exzellente Personalgewinnungs- und Personalmarketingarbeit ausgezeichnet. Weitere fünf Award-Nominierungen sind für das Jahr 2023 bestätigt.