KI wird zum Hilfsmittel für die Psychotherapie

Eine Studie der Universität Basel zeigt: Künstliche Intelligenz misst kurze Gefühlsregungen sensibler als geschulte Psychologen. Sie dürfte bald helfen, Therapie-Fortschritte zu messen.

, 11. Januar 2024 um 05:52
letzte Aktualisierung: 25. März 2025 um 08:34
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1 Gesicht, 100 Unterschiede: Wer ist traurig, wer ängstlich – und wer selbstbewusst?  |   KI-Bild: Medinside, erstellt mit Midjourney
Künstliche Intelligenz kann Gefühle auf der Basis von Gesichtsausdrücken in psychotherapeutischen Situationen verlässlich erkennen. Dies besagt eine Machbarkeitsstudie aus der Fakultät für Psychologie und der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) der Universität Basel.
Das KI-System sei obendrein in der Lage, den Therapieerfolg bei Borderline-Patienten vorauszusagen, wie es in einer Mitteilung der UPK heisst.
«Wir wollten herausfinden, ob KIs die Gefühlslage von Patienten in Video-aufzeichnungen von Therapiesitzungen zuverlässig bestimmen können», sagt Martin Steppan, der die Studie mit Klaus Schmeck, Ronan Zimmermann und Lukas Fürer von den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) konzipiert hat.
Die Forschenden verwendeten dazu frei verfügbare künstliche neuronale Netze, die mithilfe von über 30’000 Gesichtsfotos auf die Erkennung von sechs Basisemotionen trainiert wurden: Glück, Überraschung, Ärger, Abscheu, Trauer, und Angst.
Am Center for Scientific Computing der Universität Basel analysierte diese KI danach Videodaten der Therapiesitzungen von insgesamt 23 Borderline-Patienten.
Das Resultat war offenbar erstaunlich: Der statistische Vergleich zwischen der Auswertung von drei geschulten Therapeuten und der KI zeigten eine bemerkenswerte Übereinstimmung.
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Zwei Kameras zeichnen eine psychotherapeutische Sitzung auf. Die KI wertet danach die Videosequenzen aus. (Bild zvg)
Die KI beurteilte die Gesichtsausdrücke so verlässlich wie der Mensch. Darüber hinaus erkannte die KI aber auch kürzeste Gefühlsregungen im Millisekunden-Bereich.
Solche sogenannten ‚Micro Expressions‘ können Therapeuten entgehen – oder sie werden vom Menschen nur unbewusst wahrgenommen. Die KI ist somit in der Lage, kurze Gefühlsregungen sensibler zu messen, als dies geschulten Therapeuten möglich ist.
Die KI-Analyse brachte zudem einen unerwarteten Befund: Patienten, die zu Beginn einer Therapiesitzung emotionale Beteiligung zeigten und lächelten, brachen später die Psychotherapie seltener ab als Menschen, die sich gegenüber dem Therapeuten unbeteiligt zeigten.
Dieses «soziale» Lächeln könnte demnach ein guter Vorhersagewert für den Therapieerfolg bei einer Person mit einer Borderline-Symptomatik sein.
  • KI könnte sich damit zu einem wichtigen Hilfsmittel in Therapie und Forschung entwickeln.
  • Bei der Untersuchung bereits bestehender Videoaufzeichnungen von Forschungsstudien könnten mit KI emotional relevante Momente in einer Gesprächsaufnahme einfacher und direkter aufgespürt werden.
  • Diese Fähigkeit könnte auch die Supervision von Psychotherapeuten unterstützen.


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