Ärzte verklagen ein Spital, und gewinnen - oder doch nicht?

Ärzte dürfen sich gegen die Konkurrenzierung durch Spitäler rechtlich wehren, urteilt das St. Galler Verwaltungsgericht. Das Spital Linth schliesst seine Aussenpraxis in Rapperswil.

, 9. März 2020 um 16:49
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Musste ein St. Galler Spital seine Aussenpraxis schliessen, weil das Verwaltungsgericht dies auf Beschwerde einer Gemeinschaftspraxis so entschieden hat? So stand es letzte Woche gross und fett in verschiedenen Zeitungen. Am Anfang der Schlagzeilen stand eine der Gefässmedizin Rapperswil. Diese sahen in der Aussenstelle des Spitals Linth eine staatlich subventionierte Konkurrenz. Die Praxis die ärztliche wie physiotherapeutische Leitungen anbietet, wählte in ihrem Communiqué, das er auch an Medinside verschickte, denn auch harsche Worte.
O-Ton: «Das in Uznach SG stehende Spital Linth hat in Rapperswil-Jona eine spitaleigene Praxis eröffnet, welche nun auf Grund eines Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen geschlossen wird. Diesem Richterspruch kommt insofern grösste Bedeutung zu, als bislang noch kein Gericht in der Schweiz den Schlich der Spitäler, über ausserhalb der Spitalmauern betriebene, spitaleigene Praxen Patienten zur besseren Auslastung der eigenen Ambulatorien, diagnostischen Infrastruktur und Betten zu akquirieren, verurteilt hat.»

Müssen Spitäler bibbern?

Ein solches Verwaltungsgerichtsurteil hätte tatsächlich – wie in der Medienmitteilung angedeutet – landesweite Strahlkraft. Schliesslich ist das Spital Linth längst nicht das einzige Spital, das eine solche Aussenpraxis betreibt. Bricht in den Teppichetagen der Spitäler nun Unruhe aus? Nein, denn eine genauerer Blick auf den Gerichtsentscheid – der im letzten August gefällt wurde und nun rechtskräftig ist –zeigt: Der Sachverhalt wurde sowohl in der Medienmitteilung wie auch in den daraus resultierenden Zeitungsartikeln nicht korrekt wiedergegeben.
Denn: Das Gericht beurteilte nicht, ob das Spital mit der Praxiseröffnung eine «verfassungswidrige Vorgehensweise» wählte oder eine «Wettbewerbsverzerrung» vorliegt. Das Gericht prüfte einzig, ob die Gefässmedizin Rapperswil ein Anrecht darauf hat, eine anfechtbare Verfügung zu erhalten, mit der er sich gegen den Entscheid des Verwaltungsrats des Spitalverbunds wehren kann, zu dem das Spital Linth gehört. Der VR hatte sich geweigert, eine solche Verfügung auszustellen. Den Rekurs, den die Gefässmedizin Rapperswil dagegen einlegte, wies der Kanton ab. Diesen Entscheid zog die vor das kantonale Verwaltungsgericht weiter – und bekam dort teilweise Recht.

 «Arg zugespitzt»

Im Gespräch gibt Daniel Holtz von der Gefässmedizin Rapperswil zu, dass das Communiqué etwas «arg zugespitzt» formuliert gewesen sei. Man habe die Situation erst etwas falsch eingeschätzt. Holtz sendet deshalb am Montag ein zweites Communiqué – das weniger angriffig ausfällt.
Doch auch wenn es letztlich nur um die Frage ging, ob eine Verfügung ausgestellt werden muss oder nicht, machte das Gericht einige bemerkenswerte Aussagen: Zwar müsse ein Anbieter in einem freien Wettbewerb Konkurrenz akzeptieren, schrieb es. «Eine besondere Betroffenheit kann aber vorliegen für Konkurrenten in Wirtschaftszweigen, die durch wirtschaftspolitische oder sonstige spezielle Regelungen wie zum Beispiel Kontingentierungen, Bedürfnisklauseln oder Monopoleinräumung in eine besondere Beziehungsnähe untereinander versetzt werden, da hier der ‹freie› Wettbewerb nicht mehr spielt und die den Konkurrenten begünstigende Verfügung den Mitkonkurrenten in weitergehendem Masse erfasst.»

«Beeinträchtigung nicht auszuschliessen»

Zum konkreten Fall schreibt das Gericht, es sei «zumindest nicht auszuschliessen, dass Staatsbetriebe gewisse Wettbewerbsvorteile haben, z.B. (...) Staatsgarantie, Möglichkeiten der unterschwelligen Quersubventionierung (...), was zu einer Beeinträchtigung der Marktsituation führen kann». Das eine solche Möglichkeit grundsätzlich bestehen könnte, bejahte das Gericht. Für das Ausstellung einer Verfügung reiche die theoretische Möglichkeit aus. Ob das Spital Linth tatsächlich einen widerrechtlichen Vorteil hatte, darüber urteilte das Gericht nicht. Dies wäre nach der Anfechtung der Verfügung in einer zweiten Verfahren zu klären. 

Praxis schliesst

Doch können Ärzte tatsächlich erwirken, dass ein Spital seine Praxisstelle schliessen muss? Diese Frage bleibt offen. Die Praxis wird geschlossen, wie das Spital Lindt gegenüber von Medinside entsprechende Medienberichte bestätigt. Damit ist auch ein zweites Gerichtsverfahren überflüssig.
Grund dafür sei aber nicht in erster Linie das Gerichtsurteil, wie der neue-Spital Linth-CEO Peter Werder schreibt: «Beim Rückzug stand das Verhältnis zu den Zuweisern im Vordergrund. Das ist das Wichtigste, das auch für meine Entscheidungsfindung in den letzten Wochen relevant war. Wir wollen einen positiven Schlussstrich ziehen und mit Zuweisern und Partnern wieder auf ein Vertrauensverhältnis setzen.» Dank einem Neubau könne man die Angebote künftig wieder im Spital Linth anbieten. Das Physiotherapieangebot in Rapperswil werde deshalb früher als geplant Ende März aufgegeben. 

Gefässmedizin Rapperswil ist dennoch zufrieden

Bei der Gefässmedizin Rapperswil bedauert man, dass der Sachinhalt nicht abschliessend geklärt wird. Man habe an einen Erfolg geglaubt. Gleichwohl sei auch das vorhandene Urteil ein Erfolg. Es gebe künftig allen Ärzten die Möglichkeit, sich gegen eine der aus seiner Sicht «grösseren Fehlentwicklungen im Schweizer Gesundheitswesen» zu wehren. Holtz ist überzeugt, dass so «früher oder später festgestellt werden, dass solche Gebaren staatlicher Spitäler verfassungswidrig sind und es effektiv keine rechtliche Grundlage dafür gibt, dass öffentliche Spitäler ausserhalb ihrer Mauern spitaleigene Praxen betreiben».
Das Urteil des St. Galler Verwaltungsgerichts finden Sie hier.
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