«Am Ende der Kräfte angelangt»

Der Verband der Pflegefachkräfte richtet einen eindringlichen Appell an die Politik. Es drohe ein akuter Pflegeengpass.

, 11. Dezember 2020 um 10:37
image
«Wir befürchten, dass das Pflegepersonal den aktuellen Zustand nicht über weitere Wochen oder Monate durchhalten kann» - dies steht in einem Brief, der am Donnerstag an den Bundesrat und die Kantonsregierungen verschickt wurde. Absenderin: die Ethikkommission des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK.
Im Schreiben, das «Medinside» vorliegt, steht weiter, dass «die hohen Fallzahlen und die weite Verbreitung von SARS-CoV-2 die Pflegenden im ganzen Land und in allen Institutionen vor nie dagewesene Herausforderungen stellt». Die Situation verschlechtert sich aktuell «drastisch». Tatsächlich meldete am Donnerstag etwa das Kantonsspital Aarau, dass aktuell wöchentlich bis zu 250 Mitarbeitende fehlten.
Die Ethikkommission des SBK erklärt die aktuelle Situation wie folgt:
  • Die Fallzahlen stagnieren auf hohem Niveau und steigen mancherorts wieder an.
  • Die Pflegenden erkranken selber oder sind in Quarantäne.
  • Diese Ausfälle hätten zur Folge, «dass Kolleginnen und Kollegen Zusatzeinsätze leisten müssen, dies auf Kosten ihrer Frei- und Ruhezeit. Die zusätzlichen Arbeitsschichten sind nötig, aber physisch und psychisch äusserst belastend.»
  • Berichte aus der Pflegepraxis zeigten, dass Erschöpfungssymptome zunehmen. Die Konzentration bei der Arbeit nehme gleichzeitig ab.
  • Die Lösung der Situation könne und dürfe nicht darin bestehen, dass Erkrankte arbeiten müssen oder die Quarantänedauer gesenkt wird

«Einschneidende Massnahmen» gefordert

Der Pflegeverband fordert «einschneidende zusätzliche Massnahmen seitens Bund und Kantonen zur massiven Reduktion der Fallzahlen». Andernfalls werde die zu hohe Belastung im Gesundheitswesen wohl noch bis Ende des Winters anzudauern. Dann drohe eine Überforderung und Überlastung. «Die Folge ist, dass die Menschen in der Schweiz nicht mehr die pflegerische Versorgung erhalten, die sie bräuchten.»
Auch für die Pflegenden sei die Situation «nicht tragbar». Viele seien schon jetzt «am Ende ihrer Kräfte angelangt».

Finanzielle Garantien für Spitäler

Im Schreiben fordert der SBK unter anderem auch, dass die Spitäler die Sicherheit erhalten müssten, «dass Vorhalteleistungen und Absagen oder Verschiebungen von Operationen kein ökonomisches Risiko darstellen».
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von André Plass

Eine unabhängige Anlaufstelle garantiert mehr Qualität

Unabhängige Qualitätskontroll- und Meldezentren fürs Gesundheitswesen könnten die Patientenversorgung stark verbessern.

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

image

Initiative fordert Stärkung der Medikamenten-Versorgung

Die Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» wurde heute mit 131'500 Unterschriften eingereicht.

image

Jede Notfall-Konsultation kostet 460 Franken

Notfallstationen werden immer öfter besucht. Eine Obsan-Studie bietet neue Zahlen dazu. Zum Beispiel: 777'000 Personen begaben sich dreimal in einem Jahr auf den Spital-Notfall.

image

Zürcher Krankenhäuser und Versicherer haben sich geeinigt

Nun ist ein jahrelanger Streit beendet: Die Zürcher Spitäler vereinbaren mit Helsana, Sanitas und KPT einen Taxpunktwert von 93 Rappen - ein Kompromiss.

image

Mobiles Waschbecken: Game-Changer in der Pflege

Das mobile Waschbecken erlaubt bettlägerigen Personen mehr Selbstständigkeit bei der Körperpflege. Damit fördert es Selbstwertgefühl sowie Wohlbefinden und entlastet zudem das Pflegepersonal. Durch seine smarte Konstruktion erfüllt es höchste Hygienestandards.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.