Impfung: Gesellschaftlicher Druck «deutlich gestiegen»

Das zeigt eine neue ZHAW-Studie zum Impfzentrum Winterthur. Und: Mehr als die Hälfte der befragten Eltern begrüsst die Covid-Impfung bei Kindern.

, 26. Juli 2021 um 16:00
image
Eines sei vorweg genommen: Aus welchen Gründen sich jemand gegen das Corona-Virus impfen lässt, hängt vom Alter ab: Während bei 65-Jährigen und älter der Schutz der eigenen Gesundheit und der Gesamtgesellschaft an erster Stelle steht, sind bei jüngeren Menschen bis 24 Jahre der Schutz der Risikobevölkerung, die Aussicht, wieder reisen zu können, sowie die Beseitigung der negativen Auswirkungen der Pandemie die Hauptmotive für eine Impfung (siehe Grafiken unten).
Das zeigen erste Zwischenergebnisse einer Begleitstudie zum Impfzentrum Winterthur, durchgeführt von der ZHAW School of Management and Law. Bislang haben rund 9000 Personen, die sich seit Anfang April im zweitgrössten Zentrum des Kantons Zürich haben impfen lassen, an der Online-Studie teilgenommen. In dieser wurden sie unter anderem zu ihren Beweggründen für die Impfung befragt (siehe Box unten). Das Alter der Befragten liegt zwischen zwölf und 95 Jahren. 

Angst kaum ein Impfmotiv

Über alle Altersgruppen gesehen ist der Schutz der eigenen Gesundheit der wichtigste Grund, gefolgt von der Beseitigung der negativen Auswirkungen der Pandemie, wie beispielsweise weiteren Lockdowns. Die Angst vor der Pandemie wurde dagegen bei sämtlichen Altersgruppen am wenigsten als Impfmotiv genannt.
Dass die einzelnen Altersgruppen unterschiedliche Beweggründe für die Impfung haben, ist für Julia Dratva, Co-Studienleiterin vom ZHAW-Departement Gesundheit, wenig erstaunlich. «Die Motive entsprechen dem, was der Bund in seiner Kommunikation immer wieder empfiehlt: Ältere Menschen schützen sich mit der Impfung selbst, Junge vor allem die Gesellschaft.» Diese Solidarität der Jungen mit der Risikobevölkerung sei gemäss den Studienergebnissen stark ausgeprägt.

Gesellschaftlicher Druck steigt stetig

Die Begleitstudie zeigt allerdings auch, dass der gesellschaftliche Druck, sich impfen zu lassen, seit Beginn der Impfkampagne deutlich zugenommen hat. Lag der Wert Mitte April bei tiefen 1,9 Punkten auf einer Skala von eins bis zehn, ist er bis Ende Juli auf 4,3 Punkte angestiegen. Wobei Frauen sich signifikant (P < 0.001) von Männern unterscheiden und sich mit einem Mittelwert von 3.0 stärker unter Druck gesetzt fühlen als Männer mit einem Mittelwert von 2.7. Was die Altersgruppe betrifft so fühlen sich die 16- bis 44-Jährigen signifikant mehr Druck als die älteren Generationen (siehe Grafik unten).
Dratva: «Dass der Druck zunimmt, ist wohl darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der Impfkampagne die Bemühungen zugenommen haben, unentschlossene und skeptische Menschen vom Impfen zu überzeugen.» Auch die Verbreitung der ansteckenderen Deltavariante des Corona-Virus könne ein Grund für den wahrgenommenen Druck sein.

Eltern: 55 Prozent befürworten Impfung

Studienteilnehmende mit Kindern bis 16 Jahre konnten sich auch zur Frage äussern, ob sie diese impfen lassen würden. Rund 55 Prozent gaben an, dies auf jeden Fall oder wahrscheinlich zu tun, weitere zehn Prozent würden dagegen noch zuwarten, bis andere ihre Kinder geimpft haben (siehe Grafik unten).
«Der Anteil jener, die ihre Kinder impfen lassen würden, ist bei bereits Geimpften zwar recht hoch», sagt Julia Dratva dazu. Nichtsdestotrotz würden längst nicht alle den eigenen Impfentscheid auf ihre Kinder übertragen. Das deute darauf hin, dass für viele Eltern die geringe Datenlage zur Impfung bei dieser Altersgruppe und das kleine Risiko einer Erkrankung derzeit gegen die Impfung ihrer Kinder spreche.

Apotheke am wenigsten beliebt

Die Arbeit des Impfzentrums Winterthur wurde von einem Grossteil der Studienteilnehmenden sehr gut bewertet. 95 Prozent waren zufrieden mit dem Ablauf der Impfung. «Vor dem Hintergrund, dass das Impfzentrum sehr kurzfristig aufgebaut wurde und eine hohe Zahl an Impfungen bewältigen musste, ist dies ein sehr guter Wert», sagt Florian Liberatore, Co-Studienleiter von der ZHAW School of Management and Law. 
Rund 82 Prozent der befragten Personen würden wahrscheinlich wieder ein Impfzentrum nutzen, nur 45 Prozent dagegen eine Arztpraxis und 28 Prozent eine Apotheke. «Die hohe Nutzungsbereitschaft in der Bevölkerung könnte ein Anreiz dafür sein, Impfzentren auch künftig zu betreiben – etwa für den Fall, dass eine Covid-19-Impfung jedes Jahr notwendig sein sollte», sagt Liberatore.
Hier geht es zur ersten Auswertung der Begleitstudie.

Die ZHAW untersucht im Rahmen der Impfungen folgende Fragen:

  • Was motiviert die Bevölkerung, sich impfen zu lassen?
  • Welche Einstellung hat die Bevölkerung zu Impfen generell und zu der COVID-19-Impfung im Speziellen?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Impfbereitschaft?
  • Wie wurde die Impfung vertragen?
  • Wie beurteilt die Bevölkerung die Abläufe und Kommunikation des Impfzentrums in Winterthur?

Bilder-Galerie: 

Info: Die Bilder können mit dem Pfeil in der Mitte des Bildes geswitcht werden.
image
Die Altersrange der Befragten beträgt für alle Befragte 12-95 Jahre. Nach Geschlecht zeigen sich kaum Unterschiede bezüglich der Impfmotiv.(Printscreen Studie)
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Massiv weniger Frühgeburten während Corona

Deutsche Daten zeigen verblüffende Abweichungen während der Lockdowns. Das könnte wichtige Einsichten für Neonatologie und den Umgang mit Risikoschwangerschaften eröffnen.

image

Zu Besuch bei Viktor-Gewinnerin Chantal Britt

Seit vier Jahren leidet die Präsidentin von Long-Covid-Schweiz unter postviralen Beschwerden. Was sie am meisten stört: Dass die Krankheit nicht ernsthaft erforscht wird.

image

«Hört auf mit dem Begriff ‚Long Covid‘»

Natürlich gibt es das Syndrom. Aber laut einer neuen Studie unterscheidet es sich nicht von anderen postviralen Leiden.

image

Studie: Kein Zusammenhang zwischen Covid-Impfung und plötzlichem Tod

Eine Studie widerlegt Befürchtungen, dass es eine Verbindung zwischen Covid-Impfungen und ungeklärten plötzlichen Todesfällen geben könnte.

image

Das Corona-Fazit des Epidemie-Experten

Mehr Daten und weniger Verschwörungstheorien: So die Bilanz des Epidemiologen Marcel Salathé. Er leitete das Covid-19-Forschungsprogramm.

image

Schweiz stellt Weichen für langfristiges Coronavirus-Management

Der Bund stellt seine Antwort auf die langfristigen Herausforderungen von Covid 19 vor.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.