«Es braucht flachere Spitalhierarchien»

Teilweise würden junge Ärzte blossgestellt oder angeschrien, sagt Anna Wang vom Zürcher Spitalärzteverband. Sie plädiert dafür, die Weiterbildung von der Sympathie der Vorgesetzten zu entkoppeln.

, 25. Juni 2020 um 12:03
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Die junge Ärzteschaft in Weiterbildung ist stark von ihren Vorgesetzten abhängig. Dies sagt Anna Wang in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».  
Die Chefs gestalten die Fort- und Weiterbildung in der Klinik und nehmen teilweise die Prüfungen ab oder sitzen in Fachgesellschaften, so die Ärztin und designierte Präsidentin des Zürcher Spitalärzteverbands. 
«In dieser Konstellation können sich die Chefs- in der Mehrheit immer noch männlich - alles erlauben, die Assistenten und Assistentinnen nichts.» Kritik könne sich negativ auf die Karriere auswirken. Und vieles hänge von der Sympathie der Vorgesetzten ab. So könnten angehenden Ärzten etwa die benötigten Praktika entzogen werden.

Kritische Auseinandersetzung wird «abtrainiert»

Ein autoritärer Führungsstil sei in Notfällen zwar effektiv. Aber auch ohne Not werden junge Ärzte teilweise vor den Kolleginnen blossgestellt oder angeschrien, wie Wang im Interview weiter sagt. 
Aus Angst vor negativen Konsequenzen würden Missstände weder angesprochen noch angezeigt.
Die Spitalhierarchien seien derart «steil», dass die Entscheidungen der Chefs final seien und nicht hinterfragt würden. Nicht selten werde die kritische Auseinandersetzung mit Führungsentscheiden regelrecht «abtrainiert», sagt Anna Wang. 

Wie sich die Situation verbessern könnte 

Das «Abhängigkeitsproblem», wie sie es nennt, betreffe nicht nur den Nachwuchs, sondern auch Kaderärzte. Hier kommt es der Assistenzärztin zufolge zu einer «finanziellen Abhängigkeit», weil die Chefs über die Zusatzhonorare entscheiden. Und ebenso sei die Forschungskarriere wesentlich vom Goodwill des Chefarztes abhängig. 
Für sie ist klar: «Es braucht flachere Spitalhierarchien, um die Verantwortung und die Kompetenz auf mehrere Kaderärztinnen und Kaderärzte zu verteilen.» Die Macht von wenigen Ärzten, gerade in kleineren Fachgebieten, sei wirklich enorm. Eine flachere Organisation würde schliesslich auch dem Wohlergehen der Patienten helfen, da sich alle Ärzte konstruktiv einbringen könnten.

Anlaufstelle und mehr Transparenz

Zudem braucht es für die 30-jährige Assistenzärztin, die an der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Zürcher Unispital (USZ) arbeitet, eine «neutrale und anonyme Anlaufstelle für Ärzte in Weiterbildung». 
Darüber hinaus müssten Rotationen und praktische Eingriffe transparent und stadiengerecht zugeteilt werden, empfiehlt Anna Wang als weiteren Lösungsansatz. Damit allen Assistierenden die Erlangung des Facharzttitels in vergleichbarer Zeit ermöglicht werde.
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