Geimpft oder genesen?
«Welches ist das bessere G?», titelte Medinside Mitte September und bot einen Überblick über den neusten Stand der Forschung. Seither erschien auch
eine Meta-Studie, die 16 Forschungsarbeiten zur Frage auswertete, ob die «natürliche» Immunität gegenüber dem doppelten Impfschutz abfällt. Ein Resultat: Alle Studien meldeten
«at least statistical equivalence»; und dabei wiederum fanden drei Studien eine
«superiority of natural immunity.»Jetzt bewertet die deutsche Gesellschaft für Virologie die Dauer der Immunität nach durchgemachter Sars-CoV-2 Infektion neu – basierend auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Immunantwort, die durch eine Covid-Infektion beziehungsweise eine Covid-19-Impfung ausgelöst wird; sowie auf Beobachtungsstudien zur Häufigkeit von Zweitinfektionen mit Sars-CoV-2.
«Einschätzung überholt»
Ein Blick zurück: In den ersten Monaten der Pandemie wurde davon ausgegangen, dass eine durchgemachte Infektion mit Sars-CoV2 nur eine kurzlebige schützende Immunität nach sich zieht. Dies beruhte vor allem auf der Beobachtung, dass bestimmte Antikörper-Typen bereits wenige Monate nach der Infektion nicht mehr messbar waren.
«Diese Einschätzung ist jedoch mittlerweile überholt», schreibt die deutsche Gesellschaft für Virologie in ihrer aktualisierten Stellungnahme zur Immunität von Genesenen. «In einer Vielzahl von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine Sars-CoV-2 Infektion beim Menschen zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen führt, welche der eigentliche Schutzmechanismus des Immunsystems gegen eine erneute Erkrankung sind.»
Sie sorgen zum Beispiel dafür, dass bei erneutem Kontakt mit dem Erreger sehr schnell Antikörper hergestellt werden, die wesentlich wirksamer sind als die Antikörper, welche direkt nach der ersten Infektion vorhanden waren. So sind sie insbesondere in der Lage, Varianten von Sars-CoV-2 effizient zu neutralisieren.
«Dies konnte bei Genesenen gezeigt werden, die über eine Impfung erneut in Kontakt mit Teilen von Sars-CoV2 kamen. Selbst wenn die bei erneutem Virus-Kontakt noch vorhandenen Antikörperspiegel nicht ausreichend hoch sind, um eine Infektion mit Sars-CoV-2 komplett zu verhindern, kann die schnelle Gedächtnisantwort unseres Immunsystems zumindest dafür sorgen, dass schwere Krankheitsverläufe verhindert werden.», schreiben die Spezialisten es weiter.
Schutz gilt auch für «Delta»
Mehr noch: «Daten aus mehreren Ländern belegen, dass Menschen, die eine Sars-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, gegen eine erneute Infektion oder Erkrankung sehr gut geschützt sind, und dass sich dieser Schutz auch auf Virusvarianten, inklusive der Delta-Variante, erstreckt.»
In den ersten sechs Monaten nach durchgemachter Infektion sei der Schutz vor erneuter Sars-CoV-2 Infektion mindestens so gut ausgeprägt wie der Schutz von vollständig Geimpften. «Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen, dass eine durchgemachte Sars-CoV-2 Infektion auch nach einem Jahr noch sehr gut vor Reinfektionen und schweren COVID-19 Krankheitsverläufen schützt.»
Die Schlussfolgerungen der deutschen Gesellschaft für Virologie:
- Die nachgewiesene Dauer des Schutzes nach durchgemachter Sars-CoV-2 Infektion beträgt mindestens ein Jahr. Aus immunologischer Sicht ist von einer deutlich längeren Schutzdauer auszugehen, die auf Grund des begrenzten Beobachtungszeitraum aber noch nicht durch entsprechende Studien belegt ist.
- Aufgrund dieser aktuellen Erkenntnisse sollten Genesene bei Regelungen zur Pandemie-Bekämpfung (z.B. Testpflicht) den vollständig Geimpften zunächst für mindestens ein Jahr gleichgestellt werden.
- Eine Überprüfung des empfohlenen Zeitpunktes einer Impfung nach überstandener Sars-CoV-2 Infektion wird angeraten.
In der Schweiz gilt das Covid-Zertifikat bei Genesenen nur sechs Monate, bei Geimpften jedoch zwölf. Das Bundesamt für Gesundheit prüft derzeit, ob das Covid-Zertifikat für Genesene verlängert werden kann.