Gesundheitspolitik: Auf dem Wunschzettel für’s 2022

2021 war gesundheitspolitisch ein verlorenes Jahr. Stillstand und untaugliche Rezepte haben unser Gesundheitswesen nicht weitergebracht. Nichts destotrotz haben die Leistungserbringer in der Pandemie ihre grundsätzliche Belastbarkeit eindrücklich bewiesen.

, 18. Dezember 2021 um 08:00
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Das abgelaufene Jahr zeigte folgendes Bild: Die Leistungserbringer haben durchs Band bewiesen, dass sie mit den Herausforderungen der Krise gut zurechtkommen. Die Spitäler hielten der Belastungsprobe stand; zusammen mit den Apotheken, der niedergelassenen Ärzteschaft und den Laboren haben sie geimpft, getestet und Patienten behandelt. Engpässe traten auf, aber insgesamt hat das System seine Durchhaltefähigkeit unter Beweis gestellt. Weniger gut weg kommen die Gesundheitsbehörden: Bürokratismus, Rechthaberei (Stichwort: Massnahmenkakophonie) und dadurch im internationalen Vergleich verzögerte Umsetzungen (Stichwort: Zulassungen Booster, Kinderimpfung, Impfstoffe) waren an der Tagesordnung. Im Aargau warten beispielsweise die Spitäler bis heute auf die Abgeltung ihrer Covid-Kosten und Ertragsausfälle aus dem Jahre 2020. Während der Staat jeder Imbiss-Bude Kredite und Entschädigungen gewährt hat, lässt er die eigenen Häuser im Regen stehen, obwohl das Parlament längst einstimmig einen Rahmenkredit gesprochen hat.
In Bundesbern mussten besonnene Ständeräte im Dezember verhindern, dass sich die Versicherer zur Einheitskasse aufschwingen und sich ein einseitiges Koalitionsrecht im Tarifwesen zuschanzen konnten. Ebenfalls konnte knapp abgewendet werden, dass die um ihre erodierenden Erträge kämpfenden Leistungserbringer bereits im erste Paket Berset mit neuen Massnahmen zur Steuerung der Kosten konfrontiert wurden. Die Mehrheit hat schlussendlich beschlossen, das Thema Kostendeckel erst zusammen mit dem vom Bundesrat geplanten indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative zu behandeln. Die Debatte um die Aufoktroyierung von Globalbudgets («Kostenzielen») steht uns somit nächstes Jahr ins Haus. Dies nota bene obwohl in der Vernehmlassung praktisch alle relevanten Player Kostendeckel als Vorstufe zur Rationierung von Gesundheitsleistungen deutlich abgelehnt hatten. Der Bundesrat hat die Massnahmen gegenüber der Vernehmlassung sogar noch verschärft. So sollen Bund und Kantone neu die Kompetenz erhalten, nicht nur in die Tarifstruktur, sondern auch in die Tarifverträge einzugreifen, wenn diese insbesondere dem «Gebot der Wirtschaftlichkeit» (gemeint: Kostenziele) nicht entsprechen. Weiter soll der Bundesrat unter anderem die Tarifstruktur SwissDRG anpassen können – ausgerechnet einen der ganz wenigen funktionierenden Tarife.

Was muss 2022 endlich realisiert werden?

Sehnlichst erwartet wird die einheitliche Finanzierung aller ambulanten und stationären Pflichtleistungen gemäss KVG (EFAS). Sie ist eine zentrale Voraussetzung, damit medizinische Leistungen so erbracht werden, wie es im Interesse der Patienten am besten ist. Wie die individuellen Prämienverbilligungen müssen auch die steuerfinanzierten DRG-Anteile der Kantone an die medizinischen Leistungen direkt an die Versicherer gehen, welche für die Durchführung der Grundversicherung zuständig sind.
Längst überfällig ist ausserdem eine Bereinigung der verschränkten Governance im Gesundheitswesen: Dazu sind die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen im KVG zu entflechten.

  • Die Kantone konzentrieren sich auf ihre gesundheitspolizeilichen Aufgaben, insbesondere die Patienten- und Versorgungssicherheit. Hierfür ist keine umfassende Spitalplanung notwendig.
  • Damit die Kantone sich ihrer Rollenkonflikte im Interesse der Steuer- und Prämienzahler sowie der Patienten entledigen können, sollen sie selbst künftig keine medizinischen Leistungen mehr erbringen und sich auch nicht wirtschaftlich an Leistungserbringern beteiligen.
  • Der Bund hingegen konzentriert sich auf die richtigen Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Gesundheitswesen, und verzichtet darauf, einzelfallweise und ohne nachvollziehbare Kriterien in das System hinein zu dirigieren.

Zusatzversicherung: Transparenz, Vertragsfreiheit und Kartellrecht

Ein dringliches Anliegen ist zudem, dass die Zusatzversicherungsleistungen zwischen Versicherern, Spitälern und Belegärzten nach dem Prinzip des privaten Vertragsrechts sowie des Kartellrechtes verhandelt werden. Die Tarife in der Grundversicherung sind seit längerem systematisch zu tief und vermögen die Kosten nicht zu decken. Dadurch sind viele Spitäler gezwungen, ihre Defizite über die Zusatzversicherten, also Halbprivat- und Privatversicherten, zu decken.
Wenn Spitäler und Belegärzte Preistransparenz für ihre nicht durch die OKP gedeckten Mehrleistungen schaffen, so müssen die Versicherer im Gegenzug Transparenz hinsichtlich des Versicherungsversprechens schaffen. Es ist klar zu deklarieren, welche Leistungen und welche Leistungserbringer durch ein Produkt abgedeckt sind.

Mehr Wettbewerb statt dirigistische staatliche Eingriffe

Leider bieten Politik und Behörden ein lamentables Bild. Würden sie die Leistung des Gesundheitswesens in der Corona Bewältigung estimieren, könnte die Gesundheitsdiskussion nächstes Jahr sachlicher, objektiver und verantwortungsvoller geführt werden. Statt längst als wesentlich erkannte Reformen anzupacken, führt man Kostendämpfungsdiskussionen mit viel Potential für Kollateralschäden. Unser Gesundheitswesen hat sicher noch Raum für Effizienzsteigerungen, Ressourcenoptimierung und Abbremsen der allzu steilen Kostenzunahme. Wir glauben aber, dass mehr Wettbewerb um Qualität und Preise das Gesundheitswesen effizienter weiterentwickeln können als Dirigismus, Planungsexzesse und Eingriffe des Staates.
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