Das nennt man einen effektvollen Auftritt: Letzte Woche
gab die Asklepios-Gruppe in Deutschland bekannt, dass sie in ihren rund 150 Spitälern und Reha-Kliniken den berühmten Arztkittel abschafft: Ab April wird das gesamte Personal des drittgrössten Gesundheitskonzerns von Deutschland umgekleidet, und für die Mediziner ist dabei ein kurzärmliges Leibchen, auch «Kasack» genannt, vorgesehen.
Mit dieser Meldung verschaffte sich Asklepios eine grössere Präsenz in der Öffentlichkeit als durch alle wissenschaftlichen, medizinischen oder organisatorischen Bekanntmachungen der Vormonate zusammen. Von Schleswig-Holstein bis hierzulande, von «Bild» bis FAZ wurde der Kleider-Entscheid thematisiert. Die Reaktionen waren – zusammengefasst – vorsichtig positiv, wobei einzelne (wie etwa die
«Bild»-Zeitung) erkannten, dass durch diesen Schritt Ärzte und Krankenpfleger ähnlicher werden, «zumindest äusserlich».
«Wenn das tatsächlich so unhygienisch ist…»
Auch in den
Social Media wiesen diverse Diskutanten darauf hin, dass dieser Entscheid am Ende vielleicht ein bisschen dazu beitragen könnte, die Hierarchien abzuflachen.
Die deutsche
«Ärztezeitung» lancierte bei ihrem Publikum eine Umfrage – und heraus kam, dass nur gut 25 Prozent der Befragten die Tradition verteidigen: So gross war der Anteil jener, die befanden, dass der Kittel erhalten werden solle (Antwortmöglichkeit: «Ja, der Kittel gehört zum Arzt wie das Stethoskop»). Ebenso viele, nämlich gut 26 Prozent, befanden kategorisch, dass der Kittel ausgedient habe – und die restlichen 47 Prozent machten ihr Kreuz bei der Aussage: «Wenn der Kittel tatsächlich so unhygienisch ist, wie Studien es nahelegen, sollten Ärzte auf ihn verzichten».
Das Modell 'Eppendorfer' mit Silberknöpfen
Hygienedruck schlägt Tradition: Dies eine erste Zwischenbilanz. Asklepsios-Konzernchef Kai Hankeln stellte allerdings fest, dass bei den Ärzten viel Überzeugungsarbeit nötig war. «Das ist ein beachtlicher kommunikativer Aufwand», sagte
Hankeln gegenüber der DPA. Jüngeren Medizinern falle der Abschied vom traditionellen Kittel leichter, bei Älteren gebe es eine gewisse Hürde, «die sie überspringen müssen.» Dabei sei sogar der Placebo-Effekt als nützliche Nebenwirkung angeführt worden. Mancher Ordinarius hänge eben noch sehr an seinem Modell ‚Eppendorfer’ mit Silberknöpfen.
Ausgangspunkt des Entscheids war interessanterweise eine Patientenumfrage, die im September konzernweit durchgeführt worden war: Danach fürchten sich 65 Prozent der Befragten davor, sich im Spital mit einem multiresistenten Keim anzustecken.
Hierarchie-Indikator auf der Station
Im übrigen, so die Mitteilung aus der Asklepios-Zentrale, folge man Empfehlungen des deutschen Robert Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Nun sind, wie man auch hierzulande weiss, kurze Ärmel in den OPs, in den Ambulatorien und Notfallstationen längst gängig: Letztlich geht es darum, den Patientenkontakt über die langen Kittelärmel zu vermeiden. Doch auf den Gängen der Stationen gehört der langärmlige Schoss immer noch zum üblichen Anblick, gewohnt auch für die Patienten.
Die erwähnten Reaktionen lassen ahnen, dass diese Zeiten bald vorbei sein könnten. Und die Sache dreht offenbar weiter. Inzwischen haben diverse deutsche Krankenhäuser angemeldet, dass sie
den Arztkittel ebenfalls überprüfen wollen, etwa das Albertinen-Diakoniewerk, das Agaplesion Diakonieklinikum oder das Marienkrankenhaus in Hamburg.