Spitäler setzen zunehmend auf Luxusausstattung: Privatpatienten des Kantonsspitals Nidwalden kommen seit kurzem in den Genuss einer exklusiven Suite auf dem 4. Stock. Die Patientenzimmer sehen aus wie noble Hotelzimmer: Separate Lounge, elegantes Mobiliar, Parkettboden und Grossbild-TV.
Letztes Jahr weihte die Inselgruppe in Bern das neue Theodor-Kocher-Haus ein: Wüssten Patienten und Besucher nicht, dass sie sich in der Frauenklinik befinden, würden sie sich an der Reception aus Marmor wohl eher in einem Fünfstern-Hotel wähnen.
Vorbilder für die öffentlichen Spitäler sind Privatkliniken, die sich schon länger mit viel Luxusausstattungen um die gut zahlenden Privatpatienten bemühen.
Doch wer zahlt diesen Luxus? Eigentlich die Patienten. Das Kantonsspital Nidwalden (KSNW) verlangt von Halbprivat-Versicherten etwa das Anderthalbfache von dem, was Allgemein-Versicherte zahlen. Privat-Versicherte zahlen ungefähr das Doppelte.
Doch geht diese Rechnung tatsächlich auf? «Medinside» hat dazu den Gesundheitsökonom Willy Oggier befragt.
Vor allem in der Rehabilitation und in der Psychiatrie werben die Kliniken zunehmend mit luxuriösen Zimmern und schöner Lage, stellt der Gesundheitsökonom Willy Oggier fest. | Bild: PD
Herr Oggier, warum präsentieren sich immer mehr Spitäler wie Luxushotels?
Weil der Wettbewerb um die verbliebenen Zusatzversicherten unter den Spitälern zugenommen hat. Zusatzversicherte Patienten sind für ein Spital in der Regel finanziell lukrativ.
Lohnen sich solche Investitionen für die Spitäler?
Das müssten sie die Spitäler fragen.
Dient der Luxus eventuell nur dem guten Ruf?
Wenn die Hotellerie-Investitionen das einzige wären, das zum guten Ruf eines Spitals beiträgt, wäre dies kritisch. Es wäre kein nachhaltiges Konzept, nur eine gute Infrastruktur und nicht gleichzeitig auch eine gute Medizin zu bieten.
Wer zahlt letztlich die Kosten für solche Extras?
Wenn es funktioniert, dass die Spitäler damit mehr Zusatzversicherte anziehen, dann zahlen das die privatversicherten Patienten über ihre Prämien oder die Selbstzahler, die vor allem aus dem Ausland stammen, aus dem eigenen Sack.
Und wenn es nicht funktioniert?
Dann zahlt der Eigentümer. Bei öffentlichen Spitälern wäre dies direkt oder indirekt immer der Steuerzahler. Dies erachte ich als äusserst kritisch. Es kann nicht die Aufgabe von Steuerzahlern sein, öffentlichen Spitälern für Zusatzversicherte Wettbewerbsvorteile gegenüber Privatkliniken zu verschaffen, welche die Steuerzahler im schlimmsten Fall dann auch noch finanzieren müssen.
Ziehen die Kliniken mit ihren aufwendigen Patienten-Suiten auch gut betuchte Patienten aus dem Ausland an?
Teilweise schon, aber in der Regel spielen die medizinische Kompetenz und das geeignete internationale Netzwerk in diesen Fällen eine grössere Rolle.
Droht künftig ein Konkurrenzkampf unter den Kliniken mit den luxuriösesten Patientenzimmern und der schönsten Lage?
Dieser Aspekt dürfte in Ergänzung zu den medizinischen Aspekten vor allem dort an Bedeutung gewinnen, wo die Aufenthaltsdauer aus medizinischen Gründen länger ist, also vor allem in der Rehabilitation und in der Psychiatrie.
Die schönsten und besten Zimmer in den Kliniken sind nur noch für die reichen Patienten mit Zusatzversicherung zugänglich. Befeuern solche Angebote die Zweiklassen-Medizin?
Zweiklassen-Medizin hat es immer gegeben und wird es immer geben. Die gesellschaftspolitisch wichtige Frage ist, auf welchem Niveau sich die zweite Klasse befindet. In der Schweiz sind Abstriche bei der Hotellerie in der Regel am wenigsten problematisch.
Luxus wie im Hotel: Diese Spitäler setzen auf gutbetuchte Patienten
Ein persönlicher Room-Service für den Patienten und seine Besucher, ein Wellnesspaket sowie eine Auswahl von Tageszeitungen gehören zu den Annehmlichkeiten für die Privatpatienten im Kantonsspital Nidwalden. Auf Wunsch können Angehörige gratis übernachten und zum gemeinsamen Frühstück bleiben. Ebenfalls gratis: Der Parkplatz in der Tiefgarage. | Bild: PD
Für Geschäftsleute hat das Kantonsspital Nidwalden sogar vier Suiten mit voll ausgestatteten Arbeitsplätzen. | Bild: PD
Edler Marmor an der Récéption erwartet die Patienten in der Frauenklinik des Berner Inselspitals. | Bild: PD
Die private Merian-Iselin-Klinik in Basel bietet den Privatversicherten «Premium-Gold»-Leistungen. Dazu gehören Minibar und Nespresso-Maschine im Zimmer, ein Taxiservice, kleinen Speisen und Patisserie am Nachmittag und ein grosse Weinkarte neben dem exklusiven Menü-Angebot. Selbstverständlich haben die Patientenzimmer auch ein luxuriöses Badezimmer. | Bild: PD
Ein Wellness-Hotel? Nein das neue Clinicum Alpinum in Liechtenstein, eine Psychiatrische Klinik. | Bild: PD
Ein Zimmer im Clinicum Alpinum. | Bild: PD
Das Spital ist auch ein Gourmet-Restaurant: Der Chef in der Küche der Klinik Gut in Fläsch ist der Sternekoch Roland Schmid. | Bild: PD
Hotel-Gäste oder Reha-Patienten?
Die Grenzen zwischen Spital und Hotel verschwimmen zunehmend: So hat die Rehaclinic in Bad Zurzach kürzlich ein «Präventionshotel» eröffnet. Im ehemaligen Hotel «Zurzacherhof» können Reha-Patienten Zimmer mit Gesundheitsbetreuung buchen. Ärztliche und therapeutische Leistungen gibt es direkt im Hotel.
Auch in den Werbesprüchen lassen sich die Grenzen zwischen Medizin und Genuss nicht mehr genau ausmachen: «Geniessen Sie Ihre Kur in der Rehaclinic. Erholen Sie sich im Rahmen unserer Angebote im Hotel Zurzacherhof, einer Oase der Ruhe und Erholung», wirbt die Klinik um Gäste.
Hotel oder Klinik? Die Grenzen sind am Verschwinden. Zum Beispiel im Hotel Zurzacherhof. | Bild: PD