Natürlich kam es auch schon vor, dass sich ein Spital freiwillig von der Spitalliste streichen liess. So gaben in Bern bei einer Strukturreform diverse kleine Häuser ihren Betrieb als Akutspital auf und übernahmen neue Aufgaben; das war um die Jahrtausendwende. Der
jüngste Schritt der Clinique Générale-Beaulieu hatte aber doch etwas von einem Paukenschlag: Die Genfer Privatklinik mit rund 450 Angestellten und 600 Belegärzten behandelt ab sofort keine Kassenpatienten mehr – nächstes Jahr schaut man dann weiter.
Auf den ersten Blick wirkt dies umso beachtlicher, als die Générale-Beaulieu zu Swiss Medical Network gehört. Die zweitgrösste Klinikkette im Land strebt sonst eher auf die Spitallisten und sagt offen, dass sie eine starke Rolle im quasi-öffentlichen Bereich der Schweizer Gesundheitsversorgung spielen will. Wobei andererseits auch erwähnt sei, dass die Winterthurer SMN-Privatklinik Lindberg ebenfalls nicht auf der kantonalen Spitalliste figuriert.
Ärger Kontingents-System
Offiziell geht es durchaus um Politik. Man suche einen neuen Dialog und eine bessere Zusammenarbeit mit der Genfer Gesundheitsdirektion und den Unispitälern HUG, wiederholte Générale-Beaulieu-Präsident Raymond Loretan jetzt in einem
Interview mit «Le Temps». Das heisst: Swiss Medical Network will nach der Übernahme der Genfer Renommierklinik die Kooperationen am Lac Léman neu justieren. Loretan verwies auf allerlei Möglichkeiten im Bereich der Anlagen, der Aus- und Weiterbildung, der Kapazitätsauslastungen.
Doch zugleich zeigte der Walliser Aevis-Victoria-Manager auch auf das Kontingents-System, das in Genf gilt: Der Kanton legt fest, dass nur 2’000 grundversicherte Patienten pro Jahr von Spitallisten-Privatkliniken aufgenommen werden dürfen. Die privaten Häuser – fünf an der Zahl – wittern hier eine Einschränkung der freien Spitalwahl, so dass momentan auch ein
Verfahren vor Bundesgericht hängig ist, angestrengt vom Hôpital de La Tour.
Weniger als 10 Prozent der Einnahmen
Rund 400 jener Kontingents-Fälle entfielen auf die Clinique Générale-Beaulieu – bei knapp 5’700 jährlichen Patienten insgesamt. Raymond Loretan bezifferte den Umsatzverlust durch den Ausstieg aus der Spitalliste auf etwa 4 Millionen Franken. Zum Vergleich: Insgesamt hatte die Privatklinik im Jahr 2015 noch 91 Millionen Franken an Erträgen generiert.
Gross ist der Anteil also nicht, und vor allem deuten die Grössenverhältnisse an, dass die Grundversicherten für die Klinik kaum rentabel sein können. Womit es auf einer zweiten Ebene vielleicht doch auch ums Geld gehen könnte.
Genfs Gesundheitsdirektor Mauro Poggia (MCG) äusserte in einem
Interview mit «Le Temps» genau diese Vermutung. Die Privatkliniken müssten von den Versicherern hier tiefere Tarife akzeptieren als das Unispital HUG, so Poggia. Und Gilles Rufenacht, der Präsident des Privatklinikverbandes, habe ja in einem Interview eingestanden, dass die «Kontingents-Fälle» für die Genfer Häuser ein Verlustgeschäft seien.
«Wichtige Debatte»
Doch eben: Für Swiss Medical Network geht es um ein sehr hohes Anliegen. Man verteidige auch auf nationaler Ebene das Prinzip der Gleichbehandlung für alle Patienten – so letzte Woche
die Erklärung im Zusammenhang mit dem Ausstieg: «Alle bezahlen Steuern, alle bezahlen ihre Grundversicherung und einzelne erweitern ihre Deckung mit einer Zusatzversicherung.» Oder wie es Cédric Alfonso, der Direktor von Générale-Beaulieu in der
«Tribune de Genève» ausdrückte: «Ein Privatpatient ist auch ein grundversicherter Patient, aber in Genf muss er zweimal bezahlen.»
Indem die Générale-Beaulieu nun die Spitalliste verlässt, «klären wir die Positionen, um diese wichtige Debatte für die Zukunft der Spitallandschaft Schweiz und in Genf zu vertiefen», liess sich Raymond Loretan zitieren.