Zürcher Rechtsprofessor kritisiert Santésuisse

Professor Urs Saxer skizziert mögliche Szenarien im weiteren Vorgehen der neuen Tarifstruktur Tardoc. Trotz des Abseitsstehen von Santésuisse sieht er eine Möglichkeit, die neue Tarifstruktur zu verordnen.

, 10. September 2019 um 11:45
image
  • tarmed
  • tardoc
  • santésuisse
  • urs saxer
  • politik
image
Urs Saxer (Uni Zürich)
Die Ärzteverbindung FMH und der Krankenkassenverband Curafutura haben dem Bundesrat vor ein paar Wochen eine neue Tarifstruktur vorgelegt. Tardoc, so der Name, soll den veralteten Tarmed ersetzen. Bis zur Inkraftsetzung sind aber noch einige Hürden zu nehmen. 
Ein grosses Hindernis für die neuen Tarife ist der fehlende Konsens und das Abseitsstehen von Santésuisse, wie Rechtsprofessor Urs Saxer in der aktuellen Ausgabe der «Schweizerischen Ärztezeitung» kritisiert. 
Die «Totalblockade» des Krankenkassenverbandes habe es verhindert, die geltende T­arifstruktur abzulösen. 

Santésuisse mit «Stör- und Blockierpotential»

Obwohl Santésuisse das Vertretungsmonopol und damit auch Legitimität verloren habe, könne der Verband das «Stör- und Blockierpotential» noch voll ausspielen. Dies zeige, dass es sehr schwierig sei, unter den Tarifparteien einen Konsens über einen neuen Einzelleistungstarif zu finden, so Saxer.
Der Jurist und Professor an der Uni Zürich (UZH) sieht aber trotzdem eine mögliche Lösung für die neue Tarifstruktur. Der Bundesrat könne diese nämlich festsetzen, also verordnen –  auch modifiziert. Damit hätte dann der Tarif, der für die Kostenneutralität einen Korridor vorsieht, gesamtschweizerische Geltung und würde den Tarmed ab­lösen.

  • Prof. Dr. iur., LL.M. Urs Saxer. «Neues von der Tariffront», in: Schweiz Ärzteztg. 2019;100(36):1201-1203.

Saxer warnt vor Kündigung des Rahmenvertrages

Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht warnt indes vor einer Kündigung oder ersatzlosen Aufhebung des Rahmenvertrages, so wie es Santésuisse vorsieht. Denn damit würden auch die kantonalen Anschlussverträge und die vereinbarten Taxpunktwerte dahinfallen. Saxer empfiehlt hier ein pragmatisches Vorgehen.
Es könne aber sein, vermutet Saxer, dass der Krankenversichererverband darauf spekuliere, die Versicherer würden mit weiteren Tarifeingriffen oder einem festgesetzten neuen Einzelleistungstarif besser fahren als mit einer vertraglichen Einigung. Es sei aber zu hoffen, dass dieser Kalkül nicht ­aufgehe.
Für den Zürcher Professor und Rechtsanwalt Urs Saxer ist klar: Das völlige Abseitsstehen bei der Erarbeitung eines neuen Einzelleistungstarifs dürfte der Branchenorganisation Santésuisse auf jeden Fall bis jetzt eher geschadet haben.


Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Tardoc: Dem Ziel «ein gutes Stück näher»

Dass der Bundesrat bei den ambulanten Tarifen aufs Tempo drückt, findet breite Zustimmung in der Branche.

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Der Tardoc soll 2026 in Kraft sein

Zugleich genehmigte der Bundesrat die Einführung der ambulanten Pauschalen – im Grundsatz.

image
Gastbeitrag von Pius Gyger

Über die Verantwortung der Tarifpartner

Eifrig diskutiert die Branche über die Kostenfolgen von Tarifsystemen – aber kaum über die Folgen für die Versorgung oder für die Strukturen.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image
Kommentar von Anne-Geneviève Bütikofer und Verena Nold

Ja zum neuen Arzttarif – aber nur mit ambulanten Pauschalen

Ein neues ambulantes Tarifsystem muss Pauschalen mit dem Einzelleistungstarif Tardoc kombinieren. Nur so lässt sich die Effizienz im Gesundheitswesen steigern.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.