Die Zusammenarbeit der Ärzteschaft mit der Industrie ist seit langem etabliert. Sie liegt im Interesse einer guten Gesundheitsversorgung und trägt zur Mehrung des Wissens bei. Aber auch zur Entwicklung innovativer Therapien und insgesamt zum medizinischen Fortschritt. Doch gleichzeitig kann sie Abhängigkeiten mit sich bringen – und zu Interessenkonflikten führen. Diese schaffen ein Risiko dafür, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst wird.
Dies kann in der Medizin etwa bei Zuwendungen aus der Pharma- und Medtech-Industrie an Gesundheitsfachpersonen der Fall sein. So können Zuschüsse von pharmazeutischen Unternehmen oder von Herstellern von Medizinprodukten Anreize schaffen, ein Medikament oder ein Gerät einzusetzen, das sonst nicht verschrieben beziehungsweise verwendet worden wäre. Interessenkonflikte können auch entstehen, wenn Pharmafirmen Fortbildungsveranstaltungen oder wissenschaftliche Studien finanzieren.
Um dieses permanente Spannungsverhältnis zu regeln, kennt die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften
SAMW seit mehreren Jahren die Richtlinien «Empfehlungen zur Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie». Diese stehen in Ergänzung zum verbindlichen Gesetzesrecht und zum Standesrecht der jeweiligen Berufsorganisationen.
Adressatenbereich der Richtlinien wurde erweitert
Diese berufsethischen Standards wurden vor kurzem von einer Subkommission der Zentrale Ethikkommission umfassend überarbeitet. Die neue Version steht nun in einer öffentlichen Vernehmlassung, in der interessierte Organisationen und Personen zur Stellungnahme eingeladen werden. Gleichzeitig wurde auch der Geltungsbereich erweitert.
Die Richtlinien wenden sich nun nicht mehr ausschliesslich an Ärzte und Ärztinnen, sondern enthalten auch Empfehlungen für weitere medizinische Fachpersonen. Als solche gelten alle Personen, die ärztliche, pflegerische, therapeutische oder pharmazeutische Aufgaben übernehmen, sei es im Zusammenhang mit der Behandlung und Betreuung von Patienten, in der spezifischen Aus-, Weiter- und Fortbildung oder in der Forschung und Expertentätigkeit.
Die neuen Richtlinien sollen künftig für alle medizinischen Fachpersonen gelten, die mit der pharmazeutischen Industrie, der Medizintechnik- und IT-Industrie sowie kommerziellen medizinischen Laboratorien im Gesundheitsbereich zusammenarbeiten. Dies sind namentlich: Ärzte, Zahnärzte, Pharmazeuten, Pflegefachpersonen, Hebammen, Physiotherapeuten und weitere Personen, die Arzneimittel und/oder Medizinprodukte (Heilmittel) verschreiben, abgeben, anwenden oder zu diesem Zweck einkaufen. Aber auch medizinische Fachpersonen in Verantwortungsfunktionen in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, von Ausbildungs- und Forschungsstätten, welche die oben genannten Personen beschäftigen.
Ziel, das heutige System abzulösen
Vertiefter als bisher behandelt die SAMW zum Beispiel der Medizinaltechnikbereich und die Ausarbeitung von fachlichen Guidelines. Geregelt werden in den Richtlinien etwa der Umgang mit Arzneimittelmustern, Rabatten oder Geschenken, aber auch Themen wie Sponsoring, die Regeln für die Mitwirkung in einem Advisory Board, Referentenhonorare oder die Abgrenzung zwischen Fort- oder Weiterbildung und Werbeveranstaltungen.
Längerfristig sollte das heutige System gemäss SAMW jedoch durch «neue Finanzierungsmodelle» abgelöst werden, die die Risiken für Interessenkonflikte senken. Im Idealfall würde dann die Fort- und Weiterbildung nicht mehr durch die Industrie unterstützt. Im Bereich der Forschung seien etwa Initiativen von Bedeutung, die partnerschaftliche Formen der Zusammenarbeit von Industrie und Gesundheitsorganisationen fördern, ausgehend von einer gemeinsam entwickelten Vorstellung von «öffentlichem Wohl».