Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung möchte ein elektronisches Patientendossier (EPD) eröffnen. Dies geht aus dem neusten E-Health-Barometer hervor. Das ist nicht selbstverständlich. Denn aus der Studie ist auch zu entnehmen, dass vor dem Hintergrund weltweiter Datenschutz-Skandale die Zurückhaltung in der Bevölkerung in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen zunimmt.
Auch die digitale Vernetzung von Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich stockt offenbar. So befindet sich die Nutzung von digitalen Lösungen zur Vernetzung noch immer auf dem Niveau von 2018. Dem könne das EPD entgegenwirken, hoffen die Studienautoren. Die Einführung ist für Spitäler ab Mitte April 2020 und für Pflegeheime ab 2022 schrittweise verpflichtend.
Diverse Spitäler sind noch in keiner Stammgemeinschaft
Unter den Gesundheitsfachpersonen befürworten mehr als die Hälfte das EPD. Wobei die Praxisärzte mit 54% die tiefste Zustimmung zeigten, während die Spitalpflege zu 78% vom EPD überzeugt ist. Wichtiges Argument ist über alle Befragten hinweg der Zugang zu Informationen im Notfall. Aber auch die Tatsache, dass man selbständig Informationen anlegen kann und die Patienten Zugang dazu kriegen könnten, erfreut sich grosser Beliebtheit.
Trend in der Unterstützung für das EPD. Grafik: E-Health Barometer
In den Spitälern ist man dem EPD ohnehin positiv gesinnt. Allerdings seien trotz baldigem Zwang zur Einführung noch immer etwa 17% der Institutionen nicht an eine Stammgemeinschaft angeschlossen, heisst es in der Studie. 81% haben derweil eine E-Health-Strategie und könnten so Wegbereiter der digitalen Vernetzung sein, freuen sich die Studienautoren. Das sind praktisch gleich viele wie letztes Jahr.
Derzeit rollt eine veritable Welle der KIS-Erneuerung über die Schweiz. Das tut offenbar auch Not: Die Ärzte der Spitäler sind das zweite Jahr in Folge weniger zufrieden mit ihrem elektronischen Dokumentationssystem. Mittlerweile brachte fast die Hälfte ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. Als Gründe nannten die Ärzte mangelnde Funktionalität, aber auch, dass das System zu langsam und zu kompliziert ist.
Mit 8% nannten nur wenige der befragten Spitalärzte den mangelnden Datenschutz ihres KIS als Kritikpunkt. Dieser ist ansonsten aber ein grosses Thema im Gesundheitswesen. Ein Grossteil der befragten Gesundheitsfachkräfte brachte hier Vertrauen mit. Interessant ist aber, dass 46 Prozent der Praxisärzte angaben, sie würden den Stellen eher oder überhaupt nicht vertrauen, die mit den Daten ihrer Patienten arbeiten.
Mehrheit der Patienten wollen keinen Austausch ihrer Daten
In der Bevölkerung haben die Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung des Gesundheitswesens zugenommen. So gaben noch 57% der Befragten an, dass sie einverstanden seien, dass ihre Gesundheitsdaten elektronisch gespeichert würden. Das ist eine Abnahme um ganze 9 Prozentpunkte gegenüber 2019. Besonders kritisch zeigte sich die Gruppe der 40- bis 65-Jährigen.
Mit dem Austausch ihrer Gesundheitsdaten unter Behandelnden waren gar weniger als die Hälfte (47%) einverstanden, das ist ein Novum seit Befragungsbeginn im Jahr 2013. Viele machten ihr Einverständnis von den ausgearbeiteten Regeln des Austausches abhängig. Waren dies 2019 noch 9%, brachten nun ganze 36% diese Meinung zum Ausdruck. Während die Befragten gegen die punktuelle Einsicht von Ärzten oder auch Apothekern häufig nichts einzuwenden hatten, waren sie für einen Zugriff auf die eigenen Daten durch Forschende weniger offen.
Nutzung elektronischer Gesundheitsangebote. Grafik: E-Health Barometer
Da mag es erstaunen, dass doch die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor für die Einführung des elektronischen Patientendossiers ist. Über ein Drittel gab zudem an, dass sie sich vorstellen könnten, dieses selbst zu nutzen. In erstere Linie möchten die Befragten ein EPD beim Hausarzt, aber auch Apotheken kommen dafür in Frage. Neben dem EPD sind auch Notruf-Apps und Fitness-Anwendungen unter potenziellen Patienten weit verbreitet oder werden zumindest gewünscht.
Am E-Health-Barometer 2020 haben 2462 Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen sowie 1207 Einwohner der Schweiz teilgenommen. Durchgeführt wurde die Befragung von GFS.Bern im Auftrag von InfoSocietyDays.