Herr Hasenböhler, die Spitäler sind hoch verschuldet. Wie dramatisch ist die Situation?
Verschuldung ist nicht gleich Verschuldung. Spitäler investieren grösstenteils in langfristige Anlagen, meistens Immobilien. Das entschärft die Problematik, weil viel Zeit besteht, die Schulden abzubauen.
Sie schreiben in der Studie, im Vergleich zu anderen Branchen sei die Verschuldung bei Schweizer Spitälern überproportional hoch.
Richtig. Aber andere Branchen investieren zum Teil in Projekte, die sie kurzfristig amortisieren müssen. In der Konsumgüterbranche wäre eine vergleichbare Verschuldung beispielsweise dramatisch.
Sie untersuchten 15 Spitäler. Wie weit sind Ihre Ergebnisse repräsentativ für alle 276 Spitäler in der Schweiz?
Wir haben zusätzlich auch noch eine Übersicht der operativen Marge über 35 Spitäler gemacht. Die Unterschiede, was das Ebitdar betrifft, sind bei den beiden Vergleichsgruppen nicht einschneidend. Aber man muss beachten, dass wir bei der Gruppe der 15 Spitäler nur jene untersuchten, die Obligationen ausstehend haben. Die gesamte Westschweiz ist deshalb beispielsweise nicht vertreten.
Sie untersuchten jene Spitäler, die auf dem Kapitalmarkt Anleihen aufgenommen haben. Also vor allem Spitäler mit einem hohen Finanzierungsbedarf.
Ja, das ist richtig. Was aber nicht heisst, dass andere Spitäler keine grösseren Investitionen tätigten und somit keinen Finanzierungsbedarf gehabt hätten. Sie finanzierten ihre Neubauten einfach anders.
Die Hirslanden-Gruppe weist eine hohe operative Marge auf und hat trotzdem ein tiefes Rating von BB. Das ist Junk-Bond-Status. Alle anderen Spitäler haben ein Rating von mindestens BBB, sind also Investment Grade.
Von den 15 Spitälern, die wir abdecken, ist die Privatklinikgruppe Hirslanden als einzige komplett unabhängig. Alle anderen sind öffentliche Spitäler. Das ist der Grund für das tiefere Rating von Hirslanden im Vergleich zu den anderen Spitälern. Das Rating von BB spiegelt den hohen Verschuldungsgrad und die tiefe Eigenkapitalquote. Hirslanden tätigt zudem nicht einfach eine Investition in ein einzelnes Spitalgebäude, um dann die Kosten Jahr für Jahr amortisieren zu können. Sie hat mit ihren zahlreichen Spitälern laufend Erneuerungsbedarf.
Auch öffentliche Spitäler können konkurs gehen.
Bei den öffentlichen Spitälern gehen wir von einer sogenannten impliziten Garantie der betreffenden Gebietskörperschaft aus. Wir prüfen für jedes dieser Spitäler die Wahrscheinlichkeit einer Staatsunterstützung im Falle einer finanziellen Stresssituation. Ist diese gegeben, führt dies zu höheren Ratings.
Um sich selber finanzieren zu können, brauchen Spitäler - so sagt man - eine Ebita-Marge von 10 Prozent. Zwischen 2016 und 2019 erreichten die von Ihnen untersuchten Spitäler im Schnitt zwischen 9,2 und 10,2 Prozent. Gar nicht so schlecht, oder?
Dies entspricht dem Durchschnitt dieser 15 Spitäler. Und hier ist Hirslanden mit ihrer hohen Ebitda-Marge mitberücksichtigt. Sie drückt den Schnitt nach oben. Die Mehrheit der Spitäler kommt nicht auf eine Marge von 10 Prozent. Zudem darf man diese Marge nicht zu eng sehen.
Wie meinen Sie das?
Die genannten 10 Prozent sind eine grobe Faustregel. Zudem sind die Verhältnisse und Voraussetzungen von Spital zu Spital sehr verschieden. Nehmen Sie das Beispiel des Kinderspitals Zürich. Dieses ist wie andere Kinderspitäler mit einer unbefriedigenden Tarifsituation herausgefordert. Trotzdem lag vor Corona die Ebitdar-Marge mehrere Jahre über 10 Prozent. Zu einem wesentlichen Teil war das auf hohe Spendenerträge zurückzuführen. Man muss sich immer fragen, wie nachhaltig die Erträge sind.
Sie lassen in der Studie durchblicken, dass die im stationären Bereich angewandten Fallpauschalen eher zu tief bemessen sind.
Wir stellen einfach fest, dass die Rentabilität zu tief ist. Ein Teil der ungenügenden Rentabilität kann auch auf andere Gründe zurückzuführen sein, beispielsweise auf eine heute mangelnde Effizienz. All die Spitäler, die wir abdecken, erhoffen sich, durch die Neubauten effizienter zu werden. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen.
Normalerweise spricht man vorab von der Ebitda-Marge. Sie orientieren sich an der Ebitdar-Marge. Warum?
Die Ebitdar-Marge erscheint uns die gerechtere Vergleichsgrösse. Das «R» steht für Rent oder auf Deutsch Miete. Weil nicht jedes Spital ihre Liegenschaft selber besitzt, kann der Mietaufwand ins Gewicht fallen. Nehmen Sie als Beispiel das Universitätsspital Zürich oder das Kantonsspital Winterthur. Bei beiden Spitälern war auf Ebene Ebitda ein grosser Margensprung zu beobachten, als die Spitalimmobilie vom Kanton an das Spital übertragen wurde. Bei den von uns abgedeckten Spitälern ist heute der Unterschied nicht mehr wesentlich. Die Ebitdar-Marge ist bei einigen Spitälern leicht höher als die Ebitda-Marge.
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