Interprofessionelle Visiten auf dem Prüfstand

Die Visiten werden geschätzt, aber nicht alle Beteiligten sind gleich zufrieden. Vor allem die Pflege bemängelt ihre Einbindung und sichtet Verbesserungs-Chancen. Dies zeigt eine Umfrage in Schweizer Spitälern.

, 17. Januar 2025 um 05:48
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KI-Bild: Medinside, erarbeitet mit Midjourney.
Interprofessionelle Visiten gelten zwar als eine Art Goldstandard in der stationären Patientenbetreuung – aber die Realität in den Spitälern zeigt, dass sie längst keine Selbstverständlichkeit sind. Aus Zeitmangel – beziehungsweise weil die Sache nicht ganz einfach zu organisieren ist – geschieht es oft, dass Arzt- und Pflegevisite zwei verschiedene Dinge sind.
Ein Team von Internisten des USB, des KSBL und des KSA ging nun der Frage nach, wie die Akteure selber solche interprofessionellen Visiten beurteilen. Dazu erstellten die Forscher eine Umfrage unter Medizinern und Pflegefachleuten im Bereich Innere Medizin, die in Spitälern aller drei Schweizer Sprachregionen tätig sind.
Rund 550 Ärzte und Pflegefachleute nahmen vollumfänglich an der Erhebung teil. Darin wurde das übliche Vorgehen, die Erwartungen an die Visiten sowie an die interprofessionelle Zusammenarbeit abgefragt.
Insgesamt bekamen die interprofessionellen Visiten gute Noten: Das Instrument an sich erhielt 7 von 10 Punkten. Eher kritisch waren dabei jüngere Teilnehmer. Frauen äusserten sich weniger zufrieden als Männer. Pflegekräfte und untergeordnete ärztliche Positionen zeigten ebenfalls geringere Zufriedenheit.
So unterschieden sich Ärzte und Pflegekräfte allgemein erheblich bei der Zufriedenheit sowie in der wahrgenommenen Effizienz interprofessioneller Visiten. Die Antworten auf qualitative Fragen deuten an, dass das Pflegepersonal weniger aktiv beteiligt ist, was laut den Autoren der Studie mehrere Gründe haben könnte. So kritisierte eine Pflegekraft «das Ausmass der Diskussionen unter Ärzten (…), die für die Pflege nicht immer relevant sind». Anderererseits beschwerte sich ein Arzt, dass den Pflegekräften das für medizinische Gespräche nötige Wissen fehle.

Knapp 13 Minuten pro Patient

Dennoch gaben die Teilnehmer mehrheitlich an, dass sie interprofessionelle Visiten getrennten Visiten vorziehen; und insgesamt empfanden die Befragten die Visiten als effizient (7 von 10 Punkten). Gab es interne Protokolle oder Checklisten, so erhöhte dies laut der Umfrage die Effizienz signifikant. Sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Pflegekräfte bevorzugen strukturierte interprofessionelle Visiten mit aktiver Einbindung aller Teammitglieder.
Hier zeigte sich also allenfalls Verbesserungspotential: Klare Vorgaben und Protokolle fördern die Zusammenarbeit und erhöhen die wahrgenommene Qualität der Visiten, so ein Ergebnis der Studie.
Weiter sprachen sich ziemlich genau die Hälfte der Befragten dafür aus, dass die Gesprächsrunden ausserhalb des Patientenzimmers stattfinden, während ein Viertel (25.6 Prozent) die Visite am Patientenbett vorziehen – und ein Viertel für gemischte Formen plädiert.
Im Durchschnitt – errechnet aus den Angaben der Befragten – beanspruchen die interprofessionellen Visiten in Schweizer Spitälern 12,9 Minuten pro Patient.
Die Ergebnisse zeigen eine hohe Akzeptanz interprofessioneller Visiten, machen jedoch gewisse Schwachstellen in der Zufriedenheit und Effizienz fest, insbesondere bei der Pflege. Da interne Protokolle offensichtlich mit höherer Zufriedenheit und höherer Effizienz einhergehen, «kann die Bereitstellung spezifischer Richtlinien mit Schwerpunkt auf der Einbeziehung des Pflegepersonals und dem Zeitmanagement diese Faktoren verbessern und die interprofessionelle Zusammenarbeit stärken», so eine Conclusion der Untersuchung.
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